[2] 1. Der Senat stellt das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen gem. § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angekl. in den Fällen II. 4 und 5 der Urteilsgründe wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässigem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt worden ist. Insb. tragen die bisherigen Feststellungen des LG nicht den Schuldspruch aus § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB.

[3] a) Die Feststellungen belegen nicht die für die Annahme einer Tat nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert. Nach gefestigter Rspr. muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, Urt. v. 30.3.1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 f., zu § 315c StGB; Beschl. v. 4.9.1995 – 4 StR 471/95, NJW 1996, 329 f., zu § 315b StGB; vgl. weiter SSW-Ernemann, StGB, § 315c Rn 22 ff.). Da für den Eintritt des danach erforderlichen konkreten Gefahrerfolgs das vom Angekl. geführte fremde Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40; Beschl. v. 19.1.1999 – 4 StR 663/98, NStZ 1999, 350, 351), auch nicht erkennbar ist, ob der – allein maßgebliche – Gefährdungsschaden an Laterne und Baum die tatbestandsspezifische Wertgrenze erreicht (vgl. BGH, Beschl. v. 28.9.2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215; SSW-Ernemann, StGB, § 315c Rn 25), kommt es auf die Gefährdung der Beifahrerin an. Nach den in der Rspr. des Senats entwickelten Maßstäben genügt die hierauf bezogene knappe Bemerkung des LG ("Dadurch gefährdete er H. ( … ).") nicht den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr. Einen Vorgang, bei dem es beinahe zu einer Verletzung der Mitfahrerin gekommen wäre – also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, "das sei noch einmal gut gegangen" (Senat, Urt. v. 30.3.1995 und Beschl. v. 4.9.1995 – jew. a.a.O.; Beschl. v. 26.7.2011 – 4 StR 340/11, StV 2012, 217) – hat die Strafkammer auch nach dem Gesamtzusammenhang ihrer auf das Unfallgeschehen bezogenen Feststellungen nicht hinreichend mit Tatsachen belegt.

[4] b) Nach den bisherigen Feststellungen bleibt zudem offen, ob die Beifahrerin des Angekl. vom Schutzbereich des § 315c StGB überhaupt erfasst ist. Nach gefestigter Rspr. des BGH ist dies für an einer solchen Straftat beteiligte Insassen des Fahrzeugs zu verneinen (BGH, Urt. v. 23.2.1954 – 1 StR 671/53, BGHSt 6, 100, 102, v. 28.10.1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40, 43, und v. 20.11.2008 – 4 StR 328/08, NJW 2009, 1155, 1157; vgl. SSW-Ernemann, StGB, § 315c Rn 24 m.w.N.). Die Mitfahrerin könnte sich mit der an den Angekl. gerichteten Aufforderung, "auch einmal zu fahren" (UA 7), der Anstiftung gem. § 26 StGB schuldig gemacht haben. Zwar ist der Angekl. wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB verurteilt worden, so dass es an der in § 26 StGB vorausgesetzten vorsätzlichen Haupttat fehlen könnte. Diese rechtliche Würdigung beschwert den Angekl., soweit der Schuldspruch in Rede steht, nicht. Jedoch war ihm nach den Feststellungen "bewusst, dass er Alkohol getrunken hatte und möglicherweise nicht mehr fahrtauglich war. (Das) nahm er zumindest billigend in Kauf, als er sich an das Steuer setzte." (UA 7). Danach liegen die Voraussetzungen der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination in § 315c Abs. 3 Nr. 1 StGB vor, zu der strafbar angestiftet werden kann (§ 11 Abs. 2 StGB). Abschließend kann der Senat die Frage einer strafbaren Teilnahme der Beifahrerin nicht beurteilen, weil das angefochtene Urt. keine Feststellungen zur Frage eines "doppelten" Anstiftervorsatzes enthält.

[5] 2. Die Verfahrenseinstellung führt zum Wegfall der Verurteilung des Angekl. wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässigem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Damit entfallen die beiden Einzelstrafen von 60 und 40 Tagessätzen in den Fällen II. 4 und 5 der Urteilsgründe; die Teileinstellung des Verfahrens entzieht auch der Maßregel nach § 69a StGB die Grundlage.

[6] 3. Die gegen den Angekl. verhängte Gesamtfreiheitsstrafe kann bestehen bleiben. Der Senat schließt im Hinblick auf die verbleibende Einsatzstrafe von einem Jahr und zehn Monaten sowie die vier weiteren Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten in Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalbundesanwalts aus, dass die Strafkammer ohne die eingestellten Fälle auf eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.

[7] 4. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urt. ke...

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