Der Gesetzestatbestand der freigebigen Zuwendung iSd § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt eine Vermögensverschiebung in der Weise voraus, dass

  • das Vermögen des Zuwendenden in seiner Substanz vermindert und
  • das Vermögen des Bedachten in seiner Substanz vermehrt wird,

wobei sich der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, vorher nicht in der derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben muss (mittelbare Schenkung[11]). Die Bereicherung kann jede Vermögensmehrung und jede Minderung von Schulden oder Belastungen sein, wobei die Gegenstände der Ent- und Bereicherung nicht identisch sein müssen. Eine Vermögensverschiebung zwischen dem Zuwendenden und dem Bedachten kann auch unter Einbeziehung eines Dritten bewirkt werden, und zwar dadurch, dass ein Schuldner des Zuwendenden auf dessen Aufforderung hin eine diesem zustehende Forderung durch unmittelbare Leistung an den Bedachten gemäß § 362 Abs. 2 iVm § 185 BGB erfüllt (Abkürzung des Leistungswegs). Ob es sich bei dieser Vermögensverschiebung um eine freigebige Zuwendung des Zuwendenden an den Bedachten handelt, richtet sich nach dem zwischen ihnen bestehenden Innenverhältnis.[12] Fehlt es an einer solchen Vermögensübertragung, liegt keine freigebige Zuwendung vor, auch dann nicht, wenn eine Vermögensmehrung bei einer Person eintritt![13] Der steuerpflichtige Erwerb bestimmt sich gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nach der Bereicherung des Erwerbers und knüpft die Wertermittlung (§ 11 ErbStG) über § 9 Abs. 1 Nr. 2 und § 12 ErbStG an den Gegenstand an, über den der Beschenkte endgültig verfügen kann.[14]

Relativ leicht festzustellen sind objektiv substanzielle Vermögensverschiebungen aus dem Vermögen der Kapitalgesellschaft auf einen Dritten. Was der Kapitalgesellschaft gehört, richtet sich nach dem Zivilrecht. ME spielen wirtschaftliche Zurechnungen z. B. nach § 39 AO, keine Rolle.[15] "Unterhält" z. B. die Kapitalgesellschaft im Ausland (mittelbar) ein Konto, das dort einer rechtlich selbstständigen Gesellschaft, Stiftung oder einem Trust gehört, kann mE die Kapitalgesellschaft mangels Zuwendung aus ihrem Vermögen nicht unmittelbar Schenkerin sein, sondern die ausländische Gesellschaft etc. Ist der Beschenkte Inländer, ändert das natürlich nichts an der deutschen Schenkungsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Schwieriger ist hierbei die Inanspruchnahme des ausländischen Schenkers gem. § 20 ErbStG. Etwas anderes gilt wiederum bei Verträgen zugunsten Dritter (§ 328 BGB); d. h. auch wenn die Zuwendung von einer ausländischen (Tochter-)Gesellschaft stammt, kann die inländische (Mutter-)Kapitalgesellschaft Schenkerin sein.

 
Praxis-Beispiel

Eine inländische Kapitalgesellschaft schließt bei einem ausländischen Versicherungsunternehmen eine Rentenversicherung gegen Einzahlung eines Einmalbetrags ab; Begünstigter der monatlichen Rente ist eine für die Kapitalgesellschaft wichtige lokale Person. Die inländische Kapitalgesellschaft ist Schenkerin. Überträgt eine Kapitalgesellschaft Geld, Finanzanlagen auf eine ausländische Stiftung, einen Trust u. ä. (und werden von dort die Zuwendungen auf die Zielpersonen ausgeführt werden), liegen außerdem möglicherweise schon schenkungsteuerbare Zuwendung an die Stiftung oder den Trust vor (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG).[16] Bzgl. der Zuwendungen an die Zielpersonen sind jedenfalls auch die Zuwendungen von Trusts schenkungsteuerbar (§ 7 Abs. 9 Satz 2 ErbStG)[17]; bei Stiftungen könnten Zuwendung in Erfüllung des Stiftungszwecks ggf. nicht schenkungsteuerbar sein.[18]

Im Einzelfall muss das Finanzamt nachweisen, dass die Entreicherung im Vermögen der Kapitalgesellschaft stattgefunden und der Verkehrswert des zugewendeten Gegenstandes unter Berücksichtigung der ggf. vom Bedachten zu erfüllenden Gegenleistungen und Auflagen (gemischte Schenkung[19]) zu einer objektiven Vermögensmehrung des Bedachten geführt hat.

[11] R E 7.3 ErbStR, R E 9.1. ErbStR; näheres Griesel in: Praxiskommentar ErbStG und BewG, Rn 69 ff. zu § 7 (zerb 2. Aufl.).
[14] Z.B. kann in der Übertragung von Gesellschaftsanteilen die mittelbare Schenkung des Erlöses aus einem bereits geplanten Verkauf der Anteile liegen, vgl. BFH v. 28.3.2012, II R 39/10, BStBl II 2012, 712.
[15] Die zur wirtschaftlichen Zurechnung von Wirtschaftsgütern nach § 39 AO ergangene Rechtsprechung (vgl. z. B. BFH v. 25.1.2001, II R 39/98, BFH/NV 2001, 908 mwN).
[16] Einschränkend BFH v. 28.6.2007, II R 21/05, BStBl II 2007, 669, wenn die Zuwendung rechtlich und wirtschaftlich nicht durchgeführt wird.
[19] R E 7.4 ErbStR, H E 7. 4 (1) bis (4).

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