Je nach Fallgestaltung sind die tatsachenbezogenen Kriterien mithin unterschiedlich zu gewichten.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1

Ein Ingolstädter Ingenieur wird von seinem Arbeitgeber für sechs Wochen ins katalanische Martorell geschickt, um am dortigen Produktionsstandort das Prozessmanagement zu optimieren.

Dass ein Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber nur vorübergehend und für kurze Dauer zu einem ausländischen Firmenstandort geschickt wird, nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt wechselt, ist evident. Jedes einzelne tatsachenbezogene Kriterium der obigen Definition spricht für einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Auf eine Gewichtung kommt es mithin gar nicht an.

Beispiel 1, erste Abwandlung: Der spanisch sprechende Ingolstädter Ingenieur wird zum Produktionsstättenleiter in Martorell befördert und dorthin dauerhaft entsandt. Er meldet sich im nahen Barcelona an und bezieht dort eine Firmenwohnung. Jedes Wochenende pendelt er zu seiner Familie ins bayerische Ingolstadt.

In der Abwandlung bestehen schon größere Zweifel, ob der gewöhnliche Aufenthalt noch in Deutschland liegt oder nicht bereits nach Katalonien gewechselt wurde. Für einen gewöhnlichen Aufenthalt in Katalonien sprächen u. a. die berufliche Tätigkeit dort, das Beherrschen der spanischen Sprache, die Beständigkeit und Dauer des Aufenthalts und der gemeldete Wohnsitz. Für einen gewöhnlichen Aufenthalt in Ingolstadt hingegen u. a. der Familiensitz, die Heimat, Herkunft und soziale Bindung sowie die Integration des Produktionsstättenleiters. Hier beginnt ein Graubereich, der wohl nur durch Rechtsprechungsfortbildung zweifelsfrei und hinreichend vorhersehbar geklärt werden kann.

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