Auf den Pflichtteil kann bereits vor dem Tod durch Vertrag zwischen dem Erblasser und dem Verzichtenden in notarieller Form verzichtet werden (§ 2346 Abs. 2 BGB). Da der Verzichtende zu diesem Zeitpunkt eine bloße Erwerbsaussicht ohne Vermögenswert hat[1], ist eine an ihn gezahlte Abfindung wie eine gewöhnliche Schenkung sofort steuerpflichtig (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG). Auch wenn in der zivilrechtlichen Diskussion eine Abfindung an den Verzichtenden gerade auch aus Gründen der Inhaltskontrolle für notwendig oder zumindest empfehlenswert gehalten wird[2] und deshalb auch die Qualifikation des Verzichts in diesen Fällen als entgeltlich diskutiert wird[3], liegt im ErbStG kein entgeltliches Rechtsgeschäft vor aufgrund der Fiktion des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG.[4] Zur – angreifbaren – Begründung wird am ehesten § 7 Abs. 3 ErbStG herangezogen werden können, dass die "Gegenleistung" (also der Verzicht) noch nicht in Geld veranschlagt werden kann.[5]

Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG beinhaltet aber eine Fiktion, dass die Abfindung, egal wer sie zahlt und aus wessen Vermögen sie herrührt, als vom Erblasser geleistet gilt. In den meisten Fällen ermöglicht das Steuerklasse I auch dann, wenn z. B. ein Geschwisterteil für den letztlich ihn als den Zahlenden begünstigenden Pflichtteilsverzicht eines anderen Geschwisters am Nachlass eines Elternteils zahlt.

Von dem Pflichtteilsverzicht mit dem Erblasser abzugrenzen ist der Erbschaftsvertrag nach § 311 b Abs. 5 (früher § 312 Abs. 2) BGB, bei dem ein künftiger gesetzlicher Erbe einem anderen aufgrund des zwischen ihnen – ohne den Erblasser – geschlossenen Vertrags, z. B. auch für den Verzicht auf die Geltendmachung künftiger Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche, zu Lebzeiten des Erblassers eine Gegenleistung erbringt.[6] Der BFH hat hierzu entschieden, dass die Fiktion des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG die Fälle des Erbschaftsvertrags zwischen Erbprätendenten nicht erfasst, weil hier die Schenkungsteuerpflicht aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG herrührt.[7] Für die Praxis heißt das, dass wenn immer möglich der formelle Pflichtteilsverzicht iSd § 234 b Abs. 2 BGB unter Beteiligung des Erblassers geschlossen werden muss, wenn nur dadurch eine Steuerklassenverbesserung gegenüber der anderen Variante erreichbar ist.

[1] Gebel, in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Stand 2014, § 7 Tz 316.
[2] Vgl. dazu J. Mayer, in Bamberger/Roth, BGB-Komm., 3. Aufl., Band 3, 2012, § 2346 Rn 38 ff.
[3] Vgl. Weyerhoff, in MüKo., 6. Aufl., Band 9, 2013, § 2346 Rn 21; Kurze, in Damrau, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl. 2011, § 2346 Rn 8 f.
[4] Vgl. Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 7 Anm. 107.
[5] Näher dazu allgemein Gebel, in Troll/Gebel/Jülicher, § 7 Tz 355; vgl. zur steuerbaren Abfindungszahlung für einen – unerheblichen (!) – Unterhaltsverzicht in Eheverträgen bei Eheschließung BFH v. 17.10.2007 II R 53/05, BStBl II 2008, 256.
[6] Vgl. Gebel, in Troll/Gebel/Jülicher, § 7 Tz 316; tw. aA Moench/Weinmann, ErbStG, Stand 2014, Rn 214 a; Fischer, in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 4. Aufl. 2012, § 7 Rn 422, nämlich gegen Steuerpflicht.
[7] BFH v. 16.5.2013 II R 21/11, BStBl II 2013, 922; dazu Brüggemann, ErbBstg. 2013, 292.

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