Leitsatz

Der potenzielle Erbe hat gegen den potenziellen Erblasser, der gegen ein erbvertraglich vereinbartes schuldrechtliches Verfügungsverbot im Hinblick auf vorhandenes Immobilienvermögen verstößt, keinen Anspruch auf Schadensersatz. Unter Zugrundelegung der Differenzhypothese ist bei Veräußerung des Grundstücks kein kausaler Schaden entstanden.

Heisst es in einem Erbvertrag, dass ein Verstoß gegen das Verfügungsverbot zu einem Schadensersatzanspruch in Geld führt, so muss der gewollte Umfang des Schadensersatzanspruchs durch Auslegung des Erbvertrags ermittelt werden, §§ 133, 157 BGB. Kann hieraus keine ausreichend bestimmte, von den gesetzlichen Regelungen abweichende Rechtsposition der potenziellen Erben ermittelt werden, ist im Zweifel auf die gesetzlichen Voraussetzungen gem. §§ 249 ff BGB abzustellen.

LG Saarbrücken, Urteil vom 27. September 2018 – 14 O 35/17

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch aufgrund einer Pflichtverletzung hinsichtlich eines Erbvertrags.

Die Klägerin ist die Tochter der Beklagten. Durch notariellen Vertrag mit der Urkundsnummer ... vom 19.7.2002 des Notars ... in ... schloss die Klägerin mit ihren Eltern, der Beklagten und deren am 10.9.2008 verstorbenen Ehemann Herrn ..., einen Erbvertrag. In diesem Erbvertrag setzten sich die Eltern der Klägerin gegenseitig als alleinige unbeschränkte Erben ihres ganzen Vermögens ein. Als Erbin des bzw. der Letztversterbenden und für den Fall des gleichzeitigen Ablebens setzten die Eheleute ihre Tochter – die Klägerin – ein. Die Klägerin verzichtete gleichzeitig mit Wirkung zulasten ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Abkömmlinge auf den gesetzlichen Pflichtteil am Nachlass des erstversterbenden Elternteils. Darüber hinaus verpflichteten sich die Eheleute ... bzw. der Überlebende von Ihnen, insbesondere im Hinblick auf den Pflichtteilsverzicht der Tochter, über ihren Immobiliennachlass nicht ohne Zustimmung der Tochter zu verfügen.

Der Erbvertrag hat unter Ziffer 8. Den folgenden Wortlaut:

Zitat

"Darüber hinaus, insbesondere im Hinblick auf den vorstehenden Pflichtteilsverzicht der Tochter, verpflichten sich beide Eheleute ... die bzw. der Überlebende von Ihnen, über ihren Immobiliennachlass nicht ohne Zustimmung der Tochter zu verfügen, d. h. insbesondere nicht zu verkaufen, zu verschenken, zu vertauschen und nicht grundbuchmäßig zu belasten, widrigenfalls sie in Geld schadensersatzpflichtig würden. "

Eine grundbuchmäßige Sicherung, etwa in Verbindung mit einer Verpflichtung zur lebzeitigen Immobilienübertragung auf die Tochter unter Nießbrauchsvorbehalt mit Vormerkung, wird allseits wegen des familiären Verhältnisses und aus Kostengründen nicht gewünscht. Alle Beteiligten nehmen diese schuldrechtlichen Vereinbarungen gegenseitig vertraglich bindend an. Sie bestanden auf den vorstehenden Beurkundungen und wurden vom Notar über die Bindungswirkung eingehend informiert.“

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Erbvertrages wird auf diesen Bezug genommen. Nach dem Tode des Vaters der Klägerin machte diese im Hinblick auf den vorgenannten Erbvertrag keinerlei Pflichtteilsansprüche geltend. Die Beklagte adoptierte im Jahr 2010 ihre Enkelin, die Tochter der Klägerin, die bei ihr und ihrem verstorbenen Ehemann größtenteils aufwuchs. In der Folgezeit veräußerte die Beklagte ihr Anwesen ..., ... zu einem Kaufpreis von 225.000 EUR. Dieses stand vor dem Tod ihres Ehemanns jeweils zur Hälfte im Eigentum beider Ehegatten. Am 1.2.2017 verzog die Beklagte nach ... . Am 27.2.2017 zahlte die Beklagte einen Betrag iHv 28.125 EUR an die Klägerin.

Die Klägerin behauptet, bereits die Adoption ihrer Tochter ... durch die Beklagte sei nur zu dem Zwecke erfolgt, über deren Pflichtteilsrecht den Wert des Erbes der Klägerin zu schmälern. Durch den Verkauf habe die Beklagte bewusst und vorsätzlich gegen die Verpflichtung im Erbvertrag vom 19.7.2002 verstoßen. Sie, die Klägerin, habe erst am 13.2.2017 vom Hausverkauf erfahren und habe daher weder Einwände erheben noch ihre Zustimmung versagen können. Die Zahlung der Beklagten sei erfolgt, ohne dass diese die Ansprüche abschließend abgelten sollte.

Die Klägerin ist der Ansicht, wegen der Vertragsverletzung stehe ihr ein Schadensersatzanspruch zu. Dabei sei sie wirtschaftlich so zu stellen wie sie bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Erbvertrages stünde. Dann sei ihr der Immobilienwert im Rahmen des Erbfalls zugeflossen, weil sie dem Verkauf des Hauses nicht zugestimmt hätte. Der Schadensersatzanspruch bestehe auch aus § 826 BGB. Die Beklagte habe sehenden Auges und in der Absicht, die Klägerin zu schädigen den Hausverkauf vorgenommen. Sie habe damit den Vertragszweck bewusst vereitelt und ihre formale Rechtsposition missbraucht. Der Anspruch auf den Kaufpreis als Schadensersatz ergebe sich auch aus dem Rechtsgedanken des § 162 BGB. Die Beklagte habe es bewusst vereitelt, dass die vertraglich vorgesehene Wirkung eintreten konnte. Die Klägerin sei daher so zu stellen, als sei ihr die Immobilie übertragen worden.

Mit der...

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