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In gemeinschaftlichen Verfügungen von Todes wegen werden oftmals Regelungen für den Fall getroffen, dass sich der überlebende Ehepartner wiederverheiratet, sog. Wiederverheiratungsklauseln. Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich u. a. mit der in der Rechtsprechung[1] in letzter Zeit zu klärenden Frage der Sittenwidrigkeit einer Wiederverheiratungsklausel, die den überlebenden Ehepartner zur Herausgabe des geerbten Nachlasses verpflichtet und gibt einen Überblick über den derzeitigen Stand der Diskussion.

[1] OLG Zweibrücken FamRZ 2011, 1902 und Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken FamRB 2015, 310.

I. Allgemeines

1. Sinn und Zweck einer Wiederverheiratungsklausel

Eine Wiederverheiratungsklausel soll grundsätzlich dem Schutz der Schlusserben vor einer Schmälerung des Nachlasses durch das Hinzutreten eines neuen pflichtteilsberechtigten Ehegatten dienen.[2] Im Falle einer Wiederverheiratung können die Ansprüche der Schlusserben dadurch gemindert werden, dass sich der gesetzliche Pflichtteil des neuen Ehepartners auch am Nachlass des zuerst Verstorbenen berechnet, zumindest dann wenn die Ehepartner sich gegenseitig als Vollerben eingesetzt haben (Berliner Testament).

Wiederverheiratungsklauseln sollen daher bewirken, das Vermögen für die gemeinsamen Abkömmlinge zu erhalten. In der Literatur wird deshalb teilweise die Meinung vertreten, dass es sich bei solchen Bestimmungen nicht um Strafklauseln handelt.[3] Ob es sich bei einer Wiederverheiratungsklausel um eine Sanktion oder um eine Regelung mit Schutzfunktion[4] handelt, kann bei der Frage der Sittenwidrigkeit einer solchen Bestimmung eine Rolle spielt.[5]

[2] Damrau/Tanck/Klessinger, § 2269 Rn 45; Soergel/Wolf, § 2269 Rn 24 ff; Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 39 ff.
[3] Völzmann, RNotZ 2012, 1.
[4] Zawar, NJW 1988, 16; Palandt/Weidlich, § 2269 Rn 16; MüKo/Musielak, § 2269 Rn 47.
[5] J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2269 Rn 59.

2. Verschiedene Arten der Wiederverheiratungsklausel

Bei der Gestaltung einer Wiederverheiratungsklausel werden in der Literatur verschiedene Varianten diskutiert.[6] So wird vorgeschlagen, dass der überlebende Ehepartner sich im Falle der Wiederheirat nach der gesetzlichen Erbfolge auseinandersetzen oder den geerbten Nachlass an die Abkömmlinge herausgeben muss.[7] Als Alternative wird die Anordnung von auf den Zeitpunkt der Wiederverheiratung aufschiebend bedingten Vermächtnissen vorgeschlagen.[8]

[6] Palandt/Weidlich, § 2269 Rn 16.
[7] Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 40.
[8] Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 40.

a) Konstruktive Vor- und Nacherbschaft

Wird die Wiederverheiratungsklausel so formuliert, dass der überlebende Ehepartner den ererbten Nachlass an die Abkömmlinge herauszugeben hat, wird dies von der hM so ausgelegt, dass der überlebende Ehepartner sowohl auflösend bedingter Vollerbe als auch durch die Wiederheirat aufschiebend bedingter Nacherbe ist (sog. konstruktive Vor- und Nacherbschaft).[9] Diese Formulierung verwandelt somit die Einheitslösung in eine Trennungslösung.[10]

Bei einer solchen konstruktiven Vor- und Nacherbfolge besteht das Problem, dass die bis zur Wiederverheiratung getätigten Verfügungen durch den überlebenden Ehepartner als Vollerbe erfolgten, während ab diesem Zeitpunkt eine von Anfang an geltende (rückwirkende) Vorerbschaft angenommen wird.[11] Für den Ehepartner besteht dann das Risiko, dass er bei Eintritt der Bedingung und dem Verlust seines Erbrechtes nicht rückwirkend seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen kann, da er dafür die Erbschaft hätte ausschlagen müssen.[12] Ein Recht zur Anfechtung der Erbschaftsannahme wird in diesen Fällen abgelehnt.[13]

Für die Abkömmlinge besteht die Gefahr, dass sie bei Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs vergessen, die ggfs. nicht erkannte und durch eine solche Wiederverheiratung (versteckt) angeordnete aufschiebend bedingte Nacherbfolge auszuschlagen.[14] Nach Auffassung des OLG Köln wird nämlich auch die bedingte Nacherbfolge von der Vorschrift des § 2306 Abs. 2 BGB erfasst.[15]

[9] BGHZ 96, 198; OLG Köln ZEV 2015, 280. Vgl. hierzu auch Zawar, NJW 1988, 16.
[10] Langenfeld, Testamentsgestaltung, Rn 652.
[11] Palandt/Weidlich, § 2269 Rn 18; wobei nach überwiegender Meinung zur Abschwächung dieses Problems in solchen Fällen eine befreite Vorerbschaft angenommen wird.
[12] Palandt/Weidlich, § 2269 Rn 19.
[13] J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbertrag, § 2269 Rn 59.
[14] Vgl. Bonefeld, ZErb 2015, 216; Schindler, ZEV 2015, 316.

b) Die Vermächtnislösung

Alternativ zur (auflösend) bedingten Erbeinsetzung besteht die Möglichkeit, dass eine Regelung für den Fall der Wiederverheiratung durch aufschiebend bedingte Vermächtnisse angeordnet wird. Dabei kann einerseits der Umfang des Vermächtnisses genau festgelegt werden und andererseits bleibt der überlebende Ehegatte Vollerbe und somit uneingeschränkt verfügungsbefugt.[16]

Das Vermächtnis kann sich hierbei auf den Nachlass des Erstversterbenden, den noch vorhandenen Rest des Nachlasses, eine bestimmte Quote in Geld, einen bestimmten Betrag oder auch auf einen bestimmten Nachlassgegenstand beziehen.[17] Auch kann im Wege des Vermächtn...

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