Einführung

Der Beitrag behandelt die Frage, ob und inwieweit die maßgeblich im Verzicht auf nachehelichen Unterhalt begründete Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags auf einen von den (künftigen) Ehegatten zugleich abgeschlossenen Pflichtteilsverzichtsvertrag mit der Folge durchgreift, dass auch dieser keinen rechtlichen Bestand haben kann. Eine obergerichtliche Klärung steht insoweit nach wie vor aus. Erst jüngst ließ das OLG Düsseldorf diese Frage ausdrücklich unbeantwortet (vgl. OLG Düsseldorf – Beschl. v. 21.2.2013 – 3 Wx 193/12 = ZErb 2013, 94, 96 ). Die praktische Relevanz der Problemstellung liegt dabei angesichts der häufigen Kombination dieser Rechtsgeschäfte einerseits und der besonderen Intensität ehevertraglicher Inhaltskontrolle andererseits jedoch auf der Hand.

I. Problemstellung

Eheverträge werden in der Praxis vielfach mit einem Pflichtteilsverzichtsvertrag der Ehegatten verbunden. Hierfür kann es bekanntlich gute Gründe geben. Insbesondere der Erhalt des (Immobilien-)Vermögens für die leiblichen Kinder aus früheren Verbindungen oder der Schutz eines Unternehmens, an dem ein Ehegatte beteiligt ist, lässt sich oftmals nur durch eine solche Gestaltung für jede denkbare Auflösung der Ehe effektiv absichern. So liefe etwa ein ehevertraglicher Verzicht auf den Zugewinn für den Fall der Lösung der Ehe durch Tod im Hinblick auf das mit ihm intendierte Ziel dann ins Leere, wenn der überlebende Ehegatte zwar nicht durch den Zugewinnausgleich, dafür aber durch die Geltendmachung des Pflichtteils die Erben zur Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen oder Immobilien zwingen könnte.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen hat bekanntermaßen strenge Kriterien für die Wirksamkeit von Eheverträgen aufgestellt. Hiernach gehören insbesondere die nachehelichen Unterhaltsansprüche der §§ 1570 ff BGB zum Kernbereich der Scheidungsfolgen. Sie sind der Disposition der Parteien vielfach nur in sehr begrenztem Umfang zugänglich. Diesen Kriterien werden nicht alle Eheverträge – insbesondere solche älteren Datums – gerecht. Halten Eheverträge einer auf den Zeitpunkt ihres Abschlusses bezogenen Inhaltskontrolle nicht stand, sind sie nichtig. Auch jüngste Tendenzen, die Grenzen ehevertraglicher Gestaltungsfreiheit unter dem Eindruck der Unterhaltsreform wieder zu erweitern, ändern dabei am Kern des Problems nichts.[2]

Man stelle sich nun folgende Konstellation vor: Die Ehegatten haben kurz vor Eingehung der Ehe einen Ehe- und Pflichtteilsverzichtsvertrag geschlossen. Der Ehevertrag enthält neben einem Ausschluss des Zugewinnausgleichs auch einen Totalverzicht auf nacheheliche Unterhaltsansprüche.

Die Ehe dauert viele Jahre an, bis sie durch den Tod des Ehemannes aufgelöst wird. Beide Ehegatten haben von Todes wegen ausschließlich Dritte bedacht. Der Ehemann hat während der Ehezeit jedoch erhebliches Vermögen geerbt. Es stellt sich heraus, dass der Ehevertrag insbesondere infolge des umfassenden Verzichts auf nachehelichen Unterhalt wegen evident einseitiger Lastenverteilung sittenwidrig und deshalb unwirksam ist. Die Ehefrau kann nun zwar den Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1371, 1373 ff BGB verlangen. Wegen § 1374 Abs. 2 BGB partizipiert sie hierdurch jedoch nicht am wesentlichen – geerbten – Vermögen ihres Mannes. Am geerbten Vermögen hätte sie nur dann teil, wenn sie neben dem Zugewinnausgleich noch den (kleinen) Pflichtteil verlangen könnte. Dem scheint jedoch der von ihr erklärte Pflichtteilsverzicht entgegenzustehen. Anderes gilt jedoch dann, wenn dieser von der Unwirksamkeit des Ehevertrags infiziert wird und deshalb ebenfalls nichtig ist.

[2] So stellen etwa Löhnig/Preisner in NJW 2012, 1479 ff dar, dass auch die Ansprüche auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 Abs 1 S. 1 und 2 BGB nF dem Grunde nach indisponibel sind.

II. § 139 BGB als Ausgangspunkt

Nicht immer wird in der Praxis hinreichend deutlich, ob es sich beim Ehevertrag einerseits und dem Pflichtteilsverzichtsvertrag andererseits um rechtlich voneinander unabhängige Vereinbarungen handelt oder beide Vereinbarungen auch in rechtlicher Sicht als Einheit anzusehen sind. Jedenfalls aus Sicht der Parteien wird indes regelmäßig Letzteres der Fall sein. Ebenfalls hierfür spricht – wenn auch gewiss nicht zwingend – die regelmäßige Zusammenfassung in einer Urkunde.[3] In jedem Fall jedoch fällt die Norm des § 139 BGB als Ausgangspunkt für die hier anzustellenden Überlegungen zur möglichen Infektion des Pflichtteilsverzichtsvertrags durch einen sittenwidrigen Ehevertrag unweigerlich ins Auge des Rechtsanwenders.

§ 139 BGB bildet die gesetzlich normierte Vorsorge für den Fall, dass ein Unwirksamkeitsgrund nur einen Teil eines Rechtsgeschäfts berührt. In Abkehr von dem gemeinrechtlichen Grundsatz utile per inutile non vitiatur[4] sieht die Norm als Folge der Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts im Zweifel die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts vor.[5] Diese Regelung beruht auf der Erwägung, dass den Beteiligten, die einen einheitlichen umfassenden Rechtserfolg zu ver...

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