Nach § 55 Abs. 1 ErbStG 1906 wurden Schenkungen unter Lebenden besteuert. Der Begriff wurde im Gesetz nicht erläutert und deshalb mit dem Schenkungsbegriff des bürgerlichen Rechts gleichgesetzt.[5] Im ErbStG 1919 wurden in § 40 Abs. 1 Satz 2 freigebige Zuwendungen unter Lebenden den Schenkungen gleichgestellt, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden mit dessen Willen bereichert wurde. Und kurz darauf war jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts und jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wurde, nach § 3 Abs. 1 ErbStG 1922 eine Schenkung im Sinne des Erbschaftsteuerrechts. Damit war die endgültige Formulierung der freigebigen Zuwendung gefunden, die heute noch gilt. Der Erkenntnis, dass der Bezug auf die Schenkung im Sinne des BGB damit überflüssig geworden war, ist 1974 Rechnung getragen worden. Seitdem wird die Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts nicht mehr erwähnt.

Die Entstehungsgeschichte des Steuertatbestandes legt die Annahme nahe, dass die Zuwendung des BGB und des ErbStG in der Grundbedeutung identisch sind. Sie wird durch die Rechtsprechung des BFH bestätigt, wonach es auf die Zivilrechtslage ankommt, wer Zuwendender und Bedachter ist.[6] Dafür spricht auch, dass die Erweiterung des steuerlichen Schenkungsbegriffs diese Bedeutung beibehalten hat, denn andernfalls wäre die Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts nicht aus dem Steuertatbestand gestrichen worden. Was Zuwendungsgegenstand sein kann, entscheidet sich also nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten.[7]

Für einen Gleichlauf spricht auch, dass der BFH die Zuwendung als einen substantiellen Vorgang ansieht, bei dem Vermögenssubstanz vom Schenker auf den Beschenkten übergeht.[8] Deshalb ist die Zuwendung eines Anspruchs gegen einen Dritten auch eine Zuwendung im Sinne des Schenkungsteuerrechts. Eine Teilgabe an einem tatsächlichen Geschehen, an einer Dienst- oder Werkleistung oder einer Nutzung, ist das hingegen nicht.

[5] Zimmermann, Reichs-Erbschaftsteuergesetz, § 55 REStG Anm. 1.
[6] V. 18.7.2013 – II R 37/11, BStBl II 2013, 934 und Vorentscheidungen.
[7] Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 7 ErbStG Rn 14 (Stand Dezember 2018).

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