Hier wurde maßgeblich und zutreffend bemängelt, die Einrichtung einer gesetzlichen Vor-/Nacherbschafts-Situation begründe nicht eine völlige Gleichstellung mit ehelichen Kindern, der Auftrag des Art. 6 Abs. 5 GG sei verfehlt. Die ehelichen Kinder seien nicht von Gesetzes wegen in eine Position der Nacherbschaft verwiesen, wenn bei Tod des Vaters die Mutter noch lebte, sondern seien stattdessen Miterben, §§ 1924 Abs. 1, 1931 Abs. 1 S.1 BGB, und einen Sachgrund für eine andere Behandlung nichtehelicher Kinder gebe es nicht.[25] Darüber hinaus sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum das nichteheliche Kind im Verhältnis zu seinen ehelichen Geschwistern eine schlechtere erbrechtliche Position im Falle haben sollte, wenn die Ehefrau/der eingetragene Lebenspartner des Vaters noch lebe.[26] Dem ist zu folgen: Soweit mehrere Personen zu Erben berufen sind, sind sie ohne Unterschiede zu Miterben berufen. Darüber hinaus ist dem deutschen Recht eine gesetzliche Vor-/Nacherbenstellung fremd, sie ist als besonderes Instrument im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen erst zu etablieren.[27]

Ein Vorschlag, die Ungleichbehandlung nicht über materielle erbrechtliche Beteiligung am Nachlass des Vaters zu lösen, sondern über einen schuldrechtlichen Anspruch des Kindes gegen die Erben des Vaters,[28] musste abgelehnt werden.

Zu beachten war aber, dass – insoweit konsequent – mit der Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern in erbrechtlicher Hinsicht auch dem Vater eine Beteiligung am Nachlass des Kindes zugesprochen wurde, sollte das Kind vor diesem versterben.[29] Vor diesem Hintergrund überzeugt die Vor-/Nacherben-Konstruktion aber noch weniger, da es nicht einzusehen ist, dass der Vater "Vollerbe" bei Versterben des Kindes wäre, das Kind aber bei Versterben des Vaters nur Nacherbe wäre, wenn die Ehefrau/der eingetragene Lebenspartner noch lebte.

[25] Klar die Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes (DJB) vom 26.4.2010; abrufbar unter www.djb.de. Besonders hervorzuheben sei gar eine rechtliche Benachteiligung von Kindern, deren erbrechtliche Verhältnisse sich zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung nach dem damaligen Recht der DDR richteten: Diese Kinder waren ohne Einschränkung ehelichen Kindern gleichgestellt. Nach der im Entwurf vom 1.12.2009 vorgeschlagenen Änderung des Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB sollten sie aber nun ihre (Mit-)Erbenstellung aufgeben und nur noch eingeschränkt als Nacherben vorgesehen werden, was nicht akzeptabel sei. Zutreffend wird dargelegt, eine wirkliche Gleichstellung sei allenfalls dann gegeben, wenn die Ehefrau/der eingetragene Lebenspartner des Vaters nicht mehr lebe.
[26] So auch die Stellungnahme des Deutschen Richterbundes (DRB) vom 13.4.2010, abrufbar unter www.drb.de, dort www.drb/Stellungnahmen/2010/Gleichstellung nichtehelicher Kinder. Letztlich gehe die gesetzliche Anordnung einer Vor-/Nacherbschaft als Instrument des Vertrauensschutzes dort ins Leere, wo das nichteheliche Kind sein Recht nach § 2306 Abs. 1 und 2 BGB nF gebrauche, also die Nacherbschaft ausschlägt und seinen Pflichtteil zu verlangt. Diese Regelung zwinge das nichteheliche Kind geradezu zu einer Ausschlagung in dem Fall, in dem es eine unmittelbare, wirtschaftlich sofort nutzbare Beteiligung am Nachlass des Vaters fordere: Denn mit Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs steht dem nichtehelichen Kind liquides Vermögen zur Verfügung.
[27] Siehe hierzu schon allein den Wortlaut des § 2100 BGB: "Der Erblasser kann einen Erben … einsetzen".
[28] Dazu die Stellungnahme des DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V.), aktuell abrufbar unter http://erbrecht.de/dvev-erbrecht/aktuelle-entwicklungen/ae.php?nr=5. Grund hierfür sei eine Rechtsunsicherheit bei bereits abgewickelten Nachlassfällen: Erbscheine müssten wegen Unrichtigkeit eingezogen werden (§ 2361 BGB), im Falle des Vorhandenseins von Grundstücken im Nachlass würde das Grundbuch unrichtig (§ 894 BGB) und wegen der nun nachträglich eingetretenen Ungewissheit der Erbfolge müsste u.U. Nachlasspflegschaft (§ 1960 BGB) angeordnet werden. Auch hiermit wäre eine rechtliche Benachteiligung gegenüber einer materiellen Erbenposition gegeben: Ein schuldrechtlicher Anspruch stellte hierzu ein Minus hierzu dar, weil beispielsweise der Anspruch der Verjährung unterläge, eine Miterbenposition als solche aber nicht verjähren kann.
[29] Hierzu deutlich: Gesetzesentwurf des BMJ vom 1.12.2009; bestätigt im Gesetzesentwurf vom 1.7.2010, abrufbar unter www.bmj.de. Zutreffend wird dargelegt, eine wirkliche Gleichstellung sei allenfalls dann gegeben, wenn die Ehefrau/der eingetragene Lebenspartner des Vaters nicht mehr lebe.

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