(...) Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus § 2325 BGB ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung in Höhe von 1/4 der an die Beklagte ausgekehrten Lebensversicherungsleistung zu. Entgegen der Auffassung des Landgerichts bestimmt sich der Schenkungsgegenstand bei – wie hier – widerruflicher Bezugsberechtigung einer Lebensversicherung nicht nach den in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall vom Erblasser aufgewendeten Versicherungsprämien, sondern nach der ausgekehrten Versicherungsleistung. Der Senat vermag der anders lautenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. BGH NJW 1995, 3113; OLG Stuttgart FamRZ 2008, 822; Staudinger-Olshausen, BGB, Stand Juni 2006, § 2325 Rn 37; Hilbig ZEV 2008, 262), der sich das Landgericht angeschlossen hat, nicht zu folgen. Sowohl nach rechtlicher als auch wirtschaftlicher Betrachtungsweise hat der Erblasser und Versicherungsnehmer nicht nur die Prämien, sondern den ihm bis zum Eintritt des Versicherungsfalls zustehenden Versicherungsanspruch weggegeben (OLG Düsseldorf ZEV 2008, 292; LG Göttingen NJW-RR 2008, 19; LG Paderborn FamRZ 2008, 1292; Bamberger/Roth-Mayer, BGB, 2. Aufl., § 2325 Rn 9; Hasse VersR 2009, 733; Elfring ZEV 2004, 305).

Im Fall einer widerruflichen Bezugsberechtigung hat der Berechtigte zu Lebzeiten des Erblassers lediglich eine mehr oder weniger konkrete Aussicht auf den Erwerb der Versicherungssumme. Der Erblasser kann zu Lebzeiten die Bezugsberechtigung jederzeit anderweitig regeln. Dann aber hat der Erblasser nicht lediglich die Versicherungsprämien, sondern die gesamte Versicherungsleistung zugewendet, da sich erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers die Bezugsberechtigung in eine unwiderrufliche umwandelt und ein Direktanspruch des Berechtigten, im vorliegenden Fall der Beklagten, gegen die Versicherung entsteht, sich also die Aussicht auf die Zuwendung zu einem Anspruch verfestigt (§ 166 Abs. 2 VVG aF). Erst zu diesem Zeitpunkt hat sich der Erblasser seines Vermögens zugunsten des Berechtigten entäußert. Denn da er zu Lebzeiten jederzeit eine andere Bezugsberechtigung hätte wählen oder sich die Versicherungsleistung selbst hätte auszahlen lassen können, ist eine endgültige Entäußerung des Vermögens erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls eingetreten. Im Übrigen werden bei einer Kapitallebensversicherung regelmäßig Todesfallschutz und Bildung eines Kapitalstocks kombiniert. Inwieweit die geleisteten Versicherungsprämien mit den ausgezahlten Versicherungsleistungen korrespondieren, hängt folglich von vielen eher zufälligen Faktoren wie Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls, Zeitpunkt der Zahlung der Versicherungsprämien und Renditestärke des Versicherers ab. Die dadurch bedingte Zufälligkeit der Höhe des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten wird indes dadurch vermieden, dass ihm ein Anspruch auf Teile der ausgezahlten Versicherungsleistung zugebilligt wird. Schließlich ist im Rahmen anderer Zuwendungen in Form des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall, etwa in Form von zugewendeten Fondsanteilen oder Sparbüchern, regelmäßig der Wert der Zuwendung im Zeitpunkt des Todesfalls maßgeblich. Dabei werden auch erwirtschaftete Kurs- oder Zinsgewinne als Zuwendung des Erblassers gewertet. Die Zuwendung der Versicherungsleistung ist jedoch in der Sache nichts anderes. Warum diese dem Zuwendungsempfänger im Gegensatz zu anderen Kapital bildenden Anlageformen ohne Ausgleich unter Umgehung der Schutzvorschrift des § 2325 BGB vollständig zukommen sollen, ist nicht begründbar.

(...) Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Frage nach dem Schenkungsgegenstand bei Lebensversicherungsverträgen spielt in einer Vielzahl von Verfahren eine Rolle und bedingt daher angesichts der noch ausstehenden Entscheidung des BGH ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung.

eingesendet von Rechtsanwalt Lutz Schallschmidt, Döbern

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