Leitsatz

Zur Frage, ob die Erbeinsetzung der gemeinsamen Abkömmlinge in einem zwischen Eheleuten geschlossenen Erbvertrag nach ihrem hypothetischen Willen auch für den Fall der Scheidung gelten sollte.

OLG München, Beschluss vom 8. Februar 2008 – 31 Wx 069/07

Sachverhalt

Der Erblasser ist am 6.10.2006 im Alter von 80 Jahren verstorben. Er war in zweiter Ehe seit August 2005 mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Die erste, 1956 geschlossene Ehe wurde auf Antrag des Erblassers vom 22.3.2004 mit Urteil vom 18.4.2005, rechtskräftig seit 21.7.2005, geschieden. Die Beteiligten zu 2 bis 4 sind die Kinder des Erblassers aus der ersten Ehe; sie sind zwischen 1960 und 1963 geboren. Mit der Beteiligten zu 1 schloss der Erblasser am 30.4.2004 einen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig vertragsmäßig bindend zu Alleinerben einsetzten. Mit seiner ersten Ehefrau hatte der Erblasser am 30.9.1968 einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, der auszugsweise wie folgt lautet:

Zitat

"II. Ehevertrag: Wir heben hiermit den für uns geltenden gesetzlichen Güterstand auf und vereinbaren an dessen Stelle für die fernere Dauer unserer Ehe die Gütergemeinschaft nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Vorbehaltsgut wird nicht vereinbart. Die Verwaltung des ehelichen Gesamtguts obliegt beiden Ehegatten. Die Fortsetzung der Gütergemeinschaft des Überlebenden von uns mit den gemeinschaftlichen Abkömmlingen wünschen wir nicht. ... Die Ehefrau ist Eigentümerin von Grundstücken in der Gemarkung K. ... Ferner hat die Ehefrau mit Urkunde vom heutigen Tag die Grundstücke ... der Gemarkung K. übernommen. Wir sind zu je 45/100 Eigentümer von Grundbesitz ... Die Berichtigung des Grundbuchs entsprechend dem vereinbarten Güterstand wird hiermit beantragt. "

III. Erbvertrag: Der Erstversterbende von uns setzt hiermit in einseitig nicht widerruflicher Weise unsere gemeinsamen Abkömmlinge nach gleichen Anteilen zu seinen Erben ein. Der Überlebende von uns erhält als Vermächtnis den lebenslangen unentgeltlichen und auch von einer eventuellen Wiederverheiratung unabhängigen Nießbrauch am gesamten Vermögen des Erstversterbenden, mit dem Recht diesen soweit möglich und zulässig, im Grundbuch auf eigene Kosten dinglich sicher zu stellen. Ferner bestimmt der Erstversterbende den Überlebenden zu seinem Testamentvollstrecker. Der Testamentsvollstrecker ist insbesondere befugt, den Nachlass zu verwalten; er ist außerdem berechtigt, den Zeitpunkt der Auseinandersetzung nach seinem Ermessen zu bestimmen.

IV. Sonst bestimmen wir nichts. Der Überlebende von uns soll demnach in seiner Verfügung unter Lebenden und von Todes wegen frei sein.“

Der Beteiligte zu 3 vertritt die Auffassung, die Erbeinsetzung der Abkömmlinge in dem Vertrag vom 30.9.1968 gelte auch für den Fall der Ehescheidung, sodass ihm und seinen Geschwistern ein gemeinschaftlicher Erbschein als Miterben zu je 1/3 zu erteilen sei. Die Beteiligte zu 1 beantragt dagegen einen Alleinerbschein aufgrund des Erbvertrags vom 30.4.2004. Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 26.4.2007 die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, der die Kinder des Erblassers als Miterben zu je 1/3 ausweist. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluss vom 16.8.2007 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.

Aus den Gründen

Das zulässige Rechtsmittel ist in der Sache begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Bei der Erbeinsetzung der Kinder in Ziffer III des Ehe- und Erbvertrages handle es sich um vertragsmäßige Verfügungen. Durch die spätere Ehescheidung seien die wechselbezüglichen Vermächtnisse bzw. die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers unwirksam geworden. Das gelte allerdings nicht für die Erbeinsetzung der gemeinsamen Kinder. Es seien zwar keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Vertragsschließenden bedacht hätten, dass die Ehe geschieden werden könne. Das Gericht sei jedoch davon überzeugt, dass der hypothetische Wille des Erblassers dahin ging, die gemeinsamen Kinder auf jeden Fall als Erben nach dem Erstversterbenden einzusetzen. Dies könne zwar nicht aus der Wortwahl "Erstversterbender" geschlossen werden. Ein gewichtiges Indiz ergebe sich jedoch aus den Personen der Bedachten. Erheblich sei auch der Umstand, dass die Eheleute sich nicht gegenseitig als Erben einsetzten, sondern die Kinder unmittelbar als Erben nach dem Erstversterbenden. Diese ungewöhnliche, vom ursprünglichen Entwurf mit Allein- und Schlusserbeneinsetzung abweichende Vertragsgestaltung stärke die Rechte der Kinder und spreche für den Willen des Erblassers, das Familienvermögen auf jeden Fall den Kindern zukommen zu lassen. Das Wohnanwesen in K., das die frühere Ehefrau in das Gesamtgut eingebracht habe, habe dem Erblasser nach Angaben seiner Tochter sehr viel bedeutet. Diese habe das Verhältnis des Erblassers zu seinen Kindern auch nach der Trennung von seiner Ehefrau als vertrauensvoll beschrieben, was nach der Lebenserfahrung im Jahre 1968 nicht anders gewesen sein könne. Auch in späteren ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge