Die Reichweite des Begriffs der geschäftlichen Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG) wird u.a. geprägt durch die zwei vom OLG Köln angeführten BGH-Urteile (v. 25.4.2019 – I ZR 93/17, Prämiensparverträge; v. 10.1.2013 – I Z 190/11, Standardisierte Mandatsbearbeitung). In diesen Fällen hatten die Klagen und die Revisionen zwar keinen Erfolg. Aber der BGH und der EuGH (Urt. v. 16.4.2015 – C-388/13, UPC) haben einige beispielhafte Situationen angeführt, die den Unterlassungsanspruch wegen Irreführung (§ 5 UWG) begründen können:

  • Ausführungen zur Rechtslage, wenn diese nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung zu verstehen sind, im konkreten Fall ging es um ein Kündigungsschreiben und seine rechtlichen Folgen (BGH, Prämiensparverträge, a.a.O., Rn 32)
  • „objektiv falsche rechtliche Auskunft eines Unternehmers, die er auf eine ausdrückliche Nachfrage des Verbrauchers erteilt” (BGH, Prämiensparverträge, a.a.O., Rn 32)
  • Systematische Schlechtleistung, die bei Vertragsabschluss verschwiegen wird (BGH, Standardisierte Mandatsbearbeitung, a.a.O., Rn 38)
  • Bereitschaft, sich über das Lügeverbot (§ 43a Abs. 3 S. 2 BRAO) hinwegzusetzen, um Mandate zu generieren (BGH, Standardisierte Mandatsbearbeitung, a.a.O., Rn 28)
  • Bestreiten eines Mangels oder Zahlungsaufforderung, um Kunden von der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten abzuhalten, wobei bloße „Reflexwirkungen” nicht genügen (BGH, Standardisierte Mandatsbearbeitung, a.a.O., Rn 26, 29)
  • Falsche Auskunft über einen Abrechnungszeitraum und die Laufzeit eines Abonnements (EuGH, UPC, a.a.O.)

Die Entscheidung „Prämiensparverträge” zeigt, wie schmal der Grat zwischen einer Meinungsäußerung in einem Rechtsfall und einer Feststellung ist, wenn z.B. eine gesicherte Rechtsprechung zur Überzeugungsbildung angeführt wird. Aus der Entscheidung „Standardisierte Mandatsbearbeitung” kann abgeleitet werden, dass es bei der Abwägung der Gesamtumstände eine Rolle spielt, ob Rechtsansichten in einem konkreten Fall (zur Rechtswahrnehmung) oder weitergehend im Rahmen einer z.B. mittels Webseiten betriebenen allgemeinen Mandatsakquise erfolgen.

Eine „geschäftliche Handlung” (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG) ist jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder fremden Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Damit ist eine Abgrenzung des Lauterbarkeitsrechts zum allgemeinen Deliktsrecht hergestellt (Standardisierte Mandatsbearbeitung, a.a.O., Rn 17). Falls z.B. ein Anwalt betreffend Verbraucherrechte lügt oder ein Unternehmer Dienstleistungen nicht ordnungsgemäß erbringt, ist das lauterkeitsrechtlich nur dann relevant, soweit dies für Zwecke des Wettbewerbs um Mandanten bzw. Kunden eingesetzt wird (Standardisierte Mandatsbearbeitung, a.a.O., Rn 23, 25, 28).

 

Beispiel:

Ein solcher Fall wäre z.B. die Darstellung dieser berufswidrigen Methoden, z.B. unlautere oder eindeutig falsche Ratschläge, auf einer anwaltlichen Werbeseite.

Schaut man sich einerseits die vorstehend zusammengestellten Rechtsprechungsbeispiele an, so kann man daraus nur schließen, dass die gegenüber einem Verbraucher getroffenen Maßnahmen künftig verstärkt mit den Instrumentarien des UWG sanktioniert werden könnten.

Allerdings ist durch die Einschränkung des Irreführungstatbestands im Bereich der Rechtewahrnehmung ein erheblicher Spielraum vorhanden, der es Unternehmen und deren Dienstleistern erlaubt, falsche Rechtsmeinungen zu Zwecken der Rechtswahrnehmung zu verlautbaren. Es kommen dabei nur solche Äußerungen in Frage, die als eindeutig richtig oder falsch bewertet werden können und als Meinungsäußerung eine unzutreffende Tatsachenvorstellung beim Verbraucher hervorrufen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn 1.1).

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