Aussagen über die Rechtslage werden allerdings nur in bestimmten Fällen von § 5 Abs. 1 UWG erfasst. Aus rechtsstaatlichen Gründen ist insofern eine Einschränkung des Anwendungsbereichs beim Irreführungstatbestand vorzunehmen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 5 Rn 8.3 sowie 1.18 m. Nachw.). Einem Unternehmer darf für die Wahrnehmung seiner Rechte nicht verwehrt sein, seine (ggf. auch falsche) Rechtsansicht zu verlautbaren. Dabei ist entscheidend, wie der Verbraucher die Äußerung des Unternehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insb. der Art und Weise der Äußerung, auffasst. Ist für die betroffenen Verkehrskreise erkennbar, dass es sich um eine i.R.d. Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerte Rechtsansicht handelt, fehlt dieser Äußerung im rechtlichen Sinne die erforderliche Eignung zur Täuschung. Ob eine solche Rechtsansicht richtig ist, kann nicht im Wettbewerbsprozess, sondern muss in dem Rechtsverhältnis geprüft und entschieden werden, auf das sich diese Rechtsansicht bezieht. Dagegen werden Äußerungen erfasst, in denen der Unternehmer eine eindeutige Rechtslage behauptet, die tatsächlich nicht besteht, sofern der Kunde die Aussage nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung versteht (BGH, Urt. v. 25.4.2019 – I ZR 93/17, Prämiensparverträge).

Die Beklagte hatte in den angegriffenen Schreiben unter Bezugnahme auf das Schreiben ihrer Kundin I. v. 28.6.2021 geäußert, dass deren Widerruf zurückgewiesen werde. In diesem Schreiben führte die Beklagte weiter aus, dass die Kundin das ursprüngliche Vertragsangebot händisch abgeändert habe. Dies habe sie (die Beklagte) angenommen. Insofern sei ein Widerruf der Kundin nicht möglich und werde insofern zurückgewiesen. Eine eindeutige Rechtslage wird hingegen nicht behauptet. In dem vom BGH entschiedenen Fall „Prämiensparverträge” hatte die dortige Sparkasse angegeben „bei den bestehenden Verträgen handelt es sich um Einlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Eine Vertragslaufzeit ist nicht vereinbart”. Der BGH hatte auch dort keinen Anlass für die Adressaten des Kündigungsschreibens gesehen, anzunehmen, die o.g. Aussage entspräche einer gesicherten Rechtslage, obwohl auch dort die Aussage als objektive Feststellung formuliert und keine subjektive Einschätzung zum Ausdruck gebracht worden war.

Wie der BGH (Urt. v. 25.4.2019 – I ZR 93/17, Prämiensparverträge) ausgeführt hat, muss ein Unternehmen in der Lage sein, i.R.d. Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seine Rechtsansicht äußern zu können, solange für den Verbraucher erkennbar bleibt, dass die Äußerung in dem vorgenannten Rahmen erfolgt und nicht aus besonderen Gründen als feststehend verstanden wird. Nach diesen Grundsätzen hat das OLG Köln die beanstandeten Äußerungen der Beklagten in deren angegriffenen Schreiben letztlich als nicht von § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG n.F. (§ 5 Abs. 1 S. 2 Fall 2 Nr. 7 UWG a.F.) erfasst angesehen.

Soweit die Klägerin in ihrer rechtlichen Argumentation das Informationsgefälle zwischen der Beklagten als Unternehmen und der Frau I. als Verbraucherin anführt, ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund sich dies auf das Verkehrsverständnis auswirken soll. Auch hier hat das Recht der Beklagten, ihre Rechtsmeinung zu Rechtswahrnehmungszwecken zu äußern, Vorrang. Eine darüber hinausgehende „besondere Feststellung” war mit der Meinungsäußerung nicht verbunden. Dass der Unternehmer im Grundsatz im Bereich von Fernabsatzverträgen über die Widerrufsmöglichkeiten umfassend informieren muss, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Information hatte die Beklagte unstreitig zutreffend erteilt.

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