1. Veränderungen des Rechtsmarkts durch ChatGPT und Co.

Das Text-Davinci-003-Model, auf dem ChatGPT basiert, gab in dem Multiple Choice Teil der US Multistate Bar Examination (MBE) 50.3 % korrekte Antworten. Die Wahrscheinlichkeit durch Raten auf die korrekte Antwort zu kommen, lag bei 25 %. Der Multiple Choice Teil macht i.d.R. 50 % der Note des Bar Exam aus. Ein Wert von 60 % richtiger Antworten genügt in vielen Jurisdiktionen, um auf einen Gesamtwert zu kommen, der für ein Bestehen des Bar Exams ausreichend ist. In dem Bereich „Evidence” erreichte Text-Davinci-003-Model einen Wert von 63 %, in „Torts” von 62 %, sodass seine Antworten in diesen Bereichen für ein Bestehen des Bar Exams ausreichend gewesen wären (Bommarito/Katz, GPT Takes the Bar Exam, http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.4314839 [16.2.2023]).

GPT-4 wurde am 14.3.2023 veröffentlicht. Es hat das amerikanische Bar Exam „bestanden” (Katz/Bommarito/Gao/Arredondo, GPT-4 Passes the Bar Exam, http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.4389233 [18.3.2023]).

Was bedeuten diese Ergebnisse für die Zukunft? Das Erstarken des Legal-Tech-Markts hat schon heute zu der Entstehung neuer Berufsbilder geführt. Juristische Projektmanager (Legal Project Manager) sind Juristen, die sich mit Legal-Tech-Beratungsprojekten befassen. Juristische Prozessmanager (Legal Process Manager) optimieren die Arbeitsprozesse in einer Kanzlei. Die Aufgabe von Legal-Tech-Beratern bzw. juristischen Technologiemanagern (Legal Technologists) ist die Sichtung und Implementierung von Legal Tech. Legal Data Scientists bzw. juristische Analysten (Legal Analysts) sind auf die Auswertung von juristischen Daten spezialisiert. Juristische Designer (Legal Designer) befassen sich mit dem guten Design von Legal-Tech-Anwendungen. Dies beinhaltet insb. die Entwicklung von sinnvollen Prozessen und nicht – wie vielfach fälschlich angenommen wird – nur rein optische Fragen. Juristische Ingenieure (Legal Engineers) ermöglichen die Verständigung zwischen Juristen und Experten aus anderen Disziplinen (ausführlich hierzu D. Hartung in: Hartung/Bues/Halbleib (Hrsg.), Legal Tech, 2018, Rn 1012 ff.).

Zu diesen neuen Berufen wird wahrscheinlich künftig der Beruf des „Legal Prompt Engineer” bzw. des Experten für „AI Prompting” kommen. Dieser wird sich mit der Frage befassen, wie Anfragen an ein LLM formuliert werden müssen, um die gewünschte Antwort zu bekommen. Burchard weist zu Recht darauf hin, dass die bislang wie ein Scherz klingende Frage Wie chatte ich richtig‘? künftig das Tätigkeitsfeld eines neuen Berufsbildes beschreiben dürfte (Burchard in: Bachgrund/Nesum/Bernstein/Burchard, CR 2023, 132, 138).

Bekannt aus der Presseberichterstattung ist aber auch, dass ChatGPT „halluziniert”, d.h. er denkt sich fiktive Aussagen oder Fundstellen aus, um Fragen zu beantworten.

 

Beispiel:

Beispielsweise erfand ChatGPT das Baurechtsbehördenzuständigkeitsgesetz (BauGBZustG) (Kraft, ChatGPT: Die Erfindung eines Gesetzes, https://beratung.kraft.media/chatgpt-die-erfindung-eines-gesetzes/ [26.2.2023]).

Es erscheint somit noch viel Arbeit und die Schaffung einer speziellen Anwendung für den juristischen Einsatz notwendig zu sein, bevor ChatGPT oder ein anderes LLM bei der juristischen Tätigkeit unterstützen kann. Sämtliche durch ChatGPT erstellte Texte müssten vollständig auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Überzeugende Halluzination zu finden, dürfte zeitaufwendiger sein als einen Text selbst zu schreiben. Deutlich früher denkbar wäre der Einsatz von ChatGPT bei Tätigkeiten außerhalb des Kerngeschäfts, beispielsweise um Zusammenfassungen von Texten zu erstellen. Hierbei muss jedoch bedacht werden, dass Mandantendaten nicht zum Gegenstand von Prompts gemacht werden dürfen.

2. Der „Robo-Anwalt”

Und wie ging es weiter mit den Plänen von Joshua Browder? Die DoNotPay A.I. sollte – wohl über In-Ear-Kopfhörer – alles vorgeben, was vor Gericht gesagt werden sollte (Tweet von Joshua Browder, @jbrowder1 v. 21.1.2023, 3:46 a.m. [16.2.2023]). Joshua Browder hat seinen Plan jedoch zunächst wieder aufgegeben. Er tweetete, dass es doch nicht zu dem großen Auftritt des Chatbots bei Gericht kommen wird. Die State Bar Prosecutors hätten ihm eine Haftstrafe von sechs Monaten angedroht, wenn er einen „Robot Lawyer” vor Gericht auftreten ließe (Tweet von Joshua Browder, @jbrowder1 v. 25.1.2023, 4:11 p.m. [16.2.2023]).

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