Eine Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 Abs. 2 StPO wegen Unfähigkeit zur Selbstverteidigung ist schon dann notwendig, wenn an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung (nur) erhebliche Zweifel bestehen (LG Berlin, Beschl. v. 14.12.2015 – 534 Qs 142/15). Die Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten richtet sich nach seinen geistigen Fähigkeiten, seinem Gesundheitszustand und den sonstigen Umständen des Falls. Eine Bestellung eines notwendigen Verteidigers kommt daher insbesondere in Betracht, wenn der Angeklagte unter Betreuung steht (LG Berlin, Beschl. v. 14.12.2015 – 534 Qs 142/15, StV 2016, 487 = StRR 3/2016, 16; s. auch KG, Beschl. v. 23. 2. 2016 – 3 Ws 87/16) oder bei ihm eine "schwere andere seelische Abartigkeit vorliegt und zwar eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und selbstunsicheren Zügen" (LG Dresden StV 2016, 489). Ist der Beschuldigte aufgrund eines Morbus Parkinson, der zu einer motorischen Sprachstörung geführt hat, in seiner sprachlichen Kommunikationsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, ist er als sprachbehindert i.S.v. § 140 Abs. 2 S. 2 StPO anzusehen (LG Berlin a.a.O.). Bei einem Drogenabhängigen mit polytoxem Abhängigkeitsmuster versteht es sich aber nicht von selbst, dass er verteidigungsunfähig ist (KG a.a.O.). Einem die deutsche Sprache nur unzureichend beherrschenden Angeklagten ist eine effektive Verteidigung nur mit einem Verteidiger möglich, wenn ihm keine schriftliche Übersetzung der Anklageschrift zur Verfügung gestellt wurde, die Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich schwierig gestalten wird und es im Verlauf der Hauptverhandlung zu Vorhalten hinsichtlich bei der Polizei gemachter Angaben anderer Beteiligter kommen wird, die nur in deutscher Sprache vorliegen (LG Kiel StV 2016, 485).

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