Insbesondere in ersten Entscheidungen zogen einige Gerichte die Regelungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB für die behördlich angeordneten Schließungen heran. Seitens der Prozessbevollmächtigten der Fitnessstudios wird zur Begründung der Vertragsverlängerung gern auf die Entscheidungen des LG Würzburg, a.a.O., AG Torgau, a.a.O., AG Paderborn, a.a.O. und AG Ibbenbüren, a.a.O. abgestellt.

In den vorgenannten Urteilen wird jedoch die Subsumtion der Tatbestandsvoraussetzungen des § 313 BGB nicht stringent durchgeführt. In der Regel greifen sie nur das normative Element auf und nehmen eine Zumutbarkeitsprüfung vor. § 313 BGB besteht jedoch in der vorhergehenden Prüfung noch aus dem realen Element (schwerwiegende Änderung von Umständen) und dem hypothetischen Element (was hätten die Parteien getan, wenn ...). Damit implizieren die Gerichte indirekt einen Wegfall der großen Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB (Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 313 Rn 5). Es lohnt, einen Blick hinter die einzelnen Entscheidungen zu werfen.

Das LG Würzburg (Urt. v. 23.10.2020 – 1 HKO 1250/20) hatte einen UWG-Fall zu entscheiden. Innerhalb dessen wurde § 313 BGB unter dem Aspekt eines Verstoßes gegen das UWG detailliert betrachtet und geprüft. Für die Vertragsverlängerung wurde ohne weitere Begründung der Voraussetzungen des § 313 BGB auf die Zumutbarkeit der Verlängerungslösung abgestellt.

Das AG Torgau (Urt. v. 20.8.2020 – 2 C 382/19) hatte hauptsächlich einen anderen Sachverhalt zu entscheiden. Es ging um eine vertraglich vereinbarte Stilllegungszeit. Nur für einen kurzen Teilzeitraum dieser Stilllegungszeit kam die behördliche Schließung zum Tragen. Weitgehend wurde über die Wirksamkeit der Stilllegungsvereinbarung entschieden. Nur in einem letzten Absatz bejahte das AG, ohne Begründung für den coronarelevanten Teilzeitraum, das Anhängen an das Vertragsende. Dies sei nach § 313 Abs. 1 und 3 BGB hinzunehmen.

Der Entscheidung des AG Paderborn (Urt. v. 9.7.2021 – 57a C 245/20) lag tatsächlich eine Kündigung des Studiovertrages vor Anordnung der Schließung zugrunde. Das Gericht hat sich insofern mit der Problematik auseinandergesetzt. Es verneinte – ohne eine nähere Auseinandersetzung vorzunehmen – eine Unmöglichkeit, da die Leistung nachholbar sei. Gemäß § 313 BGB wurde die Zumutbarkeit der Vertragsverlängerung bejaht. Die Verantwortung für die Schließung könne aufgrund der höheren Gewalt nicht allein den Betreibern des Fitnessstudios auferlegt werden. Dies entspräche dem Willen der Parteien. Sie hätten sich über eine bestimmte Nutzungsdauer geeinigt, die durch die Schließung nicht realisiert und daher angehängt werde. Ähnlich argumentiert das AG Ibbenbüren (Urt. v. 27.11.2020 – 3’C’300/20) mit einer gerechten Lastenverteilung sowie mit einem Hinweis auf ein solidarisches Handeln der Gesellschaft. Mit der Schließung seien die beiderseitigen Vertragspflichten ausgesetzt. Dies sei vergleichbar mit den einseitigen Aussetzungs- und Ruhezeiten im Studiovertrag, die vertraglich vereinbart angehängt werden. Das solle der Wille der Parteien zur Vertragsanpassung sein.

Insbesondere in der letztgenannten Entscheidung wird die unbeachtete Problematik der Subsidiarität des § 313 BGB deutlich. Ausgehend vom Wegfall der beiderseitigen Vertragspflichten greift man die Rechtsfolge des § 275 Abs. 1 BGB auf. Diese abschließende Norm des Leistungsstörungsrecht ist aber vorrangig gegenüber § 313 BGB (BGH, Urt. v. 17.2.1995 – V ZR 267/93, Rn 13, juris; BeckOK/Lorenz, § 313 Rn 20; HK/Schulze, § 313 Rn 7; MüKo/Finkenauer, § 313 Rn 155; NK-Jung § 313 Rn 24; Palandt/Grüneberg, § 313 Rn 14; speziell für Corona-Pandemie: BeckOGK/Martens, § 313 Rn 229). Die Regeln zum Wegfall der Geschäftsgrundlage können keine Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgen des Leistungsstörungsrechts nach §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB sein. Letztere sind Ausdruck des konditionellen Synallagmas eines Vertrages, bei dem mit Entfall der Leistung auch die Gegenleistung obsolet wird (so auch LG Osnabrück, Urt. v. 9.7.2021 – 2 S 35/21).

In seinem Urt. v. 12.1.2022 – (XII ZR 8/21, a.a.O.) bestätigt der BGH zwar für Gewerbemietverhältnisse die Anwendbarkeit des § 313 BGB dem Grunde nach. Er begründet dies aber ausschließlich aus dem Mietrecht. Aus der Betrachtung des Mietrechts liegt danach kein Mangel vor, da die Mietsache unverändert besteht und für den Vermieter zugängig und nutzbar ist. Anders ist der Fall im Leistungsstörungsrecht des allgemeinen Vertragsrechts zu betrachten. Hier gibt es das vorrangige Rechtsinstitut der Unmöglichkeit. Die Studionutzer haben eben keinen Zugang. Damit wurde die Primärpflicht des Vertrages, nämlich die Nutzungsmöglichkeit des Fitnessstudios, nicht erfüllt.

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