Besonderer Würdigung bedarf die Frage nach dem Widerrufsrecht und seinen Folgen in Situationen, in denen der Wohnungsunternehmer einen Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsänderung hat, namentlich beim Mieterhöhungsverlangen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 1 BGB. Denn gibt der Wohnraummieter eine solche Erklärung nicht ab, so kann der Wohnungsunternehmer nach Ablauf einer Frist (zwei Monate nach Zugang des Erhöhungsbegehren beim Wohnraummieter, § 558b Abs. 2 BGB) Klage auf Abgabe der Willenserklärung erheben.

Fraglich ist zunächst, ob für diesen auf den ersten Blick besonderen Fall die Vorschriften über die Besonderen Vertriebsformen überhaupt anwendbar sind. Dies könnte ausgeschlossen sein, wenn es sich bei § 558 Abs. 1 BGB um ein vorrangiges lex specialis des Mietrechts handeln würde. Für eine solche Annahme spricht, dass § 558 Abs. 1 BGB eine die Interessen des Vermieters besonders schützende Vorschrift darstellt, durch die der Ausschluss der Änderungskündigung zur Vertragsanpassung – womit bei Dauerschuldverhältnissen eine solche üblicherweise einseitig durchgesetzt werden kann – gem. § 573 Abs. 1 S. 2 BGB kompensiert werden soll (MüKo-BGB/Artz, § 558 Rn. 3). Man mag daher annehmen, dass dieser vom Gesetzgeber geschaffene Interessenausgleich unterlaufen würde, sofern man dem Mieter ein Widerrufsrecht zugesteht (so Horst DWW 2015, 2, 6). Dagegen spricht jedoch, dass dem Wohnungsunternehmer durch die Ausübung des Widerrufrechts keine Nachteile entstehen. Der Wohnraummieter ist mit dem Widerruf seiner auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichteten Willenserklärung nicht mehr an sie gebunden. Die Erklärung gilt sodann als nicht abgegeben. Der Wohnungsunternehmer steht so, als hätte der Wohnraummieter nichts erklärt und der Anspruch des Wohnungsunternehmers auf Zustimmung besteht fort. Für die Durchsetzung seines Anspruchs müsste der Wohnungsunternehmer dann – wie in dem Fall, dass der Wohnraummieter nichts erklärt hat auch – innerhalb der gesetzlichen Frist (vgl. § 558b Abs. 2 BGB) auf die Zustimmung zur Mieterhöhung klagen. Auch der Umstand, dass sofern eine Widerrufsbelehrung unterblieben ist und dem Wohnraummieter ein Widerrufsrecht von einem Jahr und 14 Tagen zusteht, vgl. § 356 Abs. 3 S. 2 BGB, lässt § 558 Abs. 1 BGB nicht als das Widerrufsrecht ausschließendes lex specialis erscheinen. Zwar kann der Wohnraummieter das Widerrufsrecht in einem solchen Fall auch noch nach Ablauf der Klagefrist ausüben, wodurch für den Wohnungsunternehmer die Gefahr besteht, dass er seinen Anspruch auf Zustimmung nicht mehr auf prozessualem Wege durchsetzen kann.

Dieses Ergebnis ist jedoch letztlich deswegen gerechtfertigt, weil es sich beim Unterbleiben der Erteilung einer Widerrufsbelehrung um eine Pflichtverletzung des Wohnungsunternehmers handelt, die sich dann auch zu seinen Lasten auszuwirken hat. Ferner spricht, jedenfalls in den Situationen des Direktmarketing, auf die sich die Fälle nach den oben erfolgten Ausführungen reduzieren dürften, die Schutzbedürftigkeit des Mieters für die Anwendbarkeit des § 312g Abs. 1 BGB, weil mit Blick auf die Zustimmung zur Mieterhöhung durchaus eine entsprechende Überrumpelungsgefahr besteht (so auch Mediger, demnächst NZM 2015 Heft 6). Anders als in den Fällen, in denen die Zustimmung durch ein Urteil ersetzt wird, wird hier auch nicht sichergestellt, dass die Erhöhung in einem zulässigen Rahmen erfolgt. Im Ergebnis ist es daher nicht unbillig, wenn er seine Zustimmung auch nach Ablauf der Klagefrist für den Wohnungsunternehmer widerrufen kann.

Folglich handelt es sich bei § 558 Abs. 1 BGB nicht um ein vorrangiges lex specialis, welches die Anwendung der Widerrufsvorschriften verbietet (so auch Mediger, demnächst NZM 2015 Heft 6; Gsell WuM 2014, 375, 377; a.A. Horst DWW 2015, 2, 6). Wenn der Wohnraummieter eine solche Zustimmungserklärung unter den situativen Voraussetzungen des § 312b BGB abgibt, liegt eine vereinbarte Vertragsänderung vor (a.A. Horst DWW 2015, 2, 6), bei welcher dem Wohnraummieter dann ein Widerrufsrecht zusteht.

 

Praxishinweis:

Das Erteilen einer Widerrufsbelehrung zusammen mit der Aufforderung zur Erklärung der Zustimmung ist in solchen Fällen daher empfehlenswert.

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