Die für qualifizierte Mietspiegel relevante Norm des § 558d BGB wurde mit Wirkung zum 1.7.2022 redaktionell neu gefasst und stellt eine gesetzgeberische Weiterentwicklung des einfachen Mietspiegels (vgl. § 558c BGB) dar, wobei dem qualifizierten Mietspiegel eine Doppelfunktion zukommt: Einerseits kann er als Begründungsmittel nach § 558a Abs. 2 Nr. 1 BGB beim Mieterhöhungsverlangen herangezogen werden (vgl. dazu unten IX.) und andererseits stellt er ein vereinfachtes Erkenntnismittel des Tatgerichts zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Mieterhöhungsprozess dar (BeckOGK/Fleindl, § 558d BGB Rn 2). Auch wenn die Rechtsnatur eines qualifizierten Mietspiegels im Einzelnen umstritten ist (vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 558b BGB Rn 110 m.w.N.), behandelt der BGH ihn wie eine revisible Rechtsnorm, die der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt, und zwar sowohl im Hinblick auf die empirische Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete als auch im Hinblick auf die wertende Auslegung von Kriterien wie insb. der Zu- und Abschlagsmerkmale durch die Tatgerichte (BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 227/10, NZM 2011, 511).

1. Erstellung nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen

Vom einfachen Mietspiegel nach § 558c BGB unterscheidet sich der qualifizierte Mietspiegel v.a. dadurch, dass er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sein muss. Das gesetzgeberische Ziel dieser Anforderung ist es, ein möglichst realistisches, verkleinertes Abbild des jeweiligen Wohnungsmarkts zu liefern (vgl. RegE BT-Drucks 14/4553, 57). Das setzt eine repräsentative Primärdatenerhebung, eine Datenauswertung nach einer Tabellenmethode oder eine vergleichbar geeignete Methode sowie eine öffentlich zugängliche Dokumentation aller Arbeitsschritte voraus, um eine Nachprüfung zu ermöglichen (RegE BT-Drucks 14/4553, 57 = NZM 2000, 415, 442). Seit dem 1.7.2022 finden sich Einzelheiten zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels in der Mietspiegelverordnung (MsV) der Bundesregierung (MsV v. 28.10.2021, BGBl 2021 I 4779).

Eine ausreichend repräsentative Primärdatenerhebung setzt eine Befragung zum Zwecke der Mietspiegelerstellung voraus (vgl. § 8 Abs. 1 MsV), wobei diese Daten von Vermietern und/oder Mietern erhoben werden können. Da eine Vollerhebung aller relevanten Mietverhältnisse einer Gemeinde aus praktischen Gründen ausscheidet, muss eine repräsentative Zufallsstichprobe durchgeführt werden, wobei sich in praktischer Hinsicht telefonische Befragungen als kostengünstigere Methode im Gegensatz zu Kontaktinterviews vor Ort durchgesetzt haben. Die Datenauswertung der so erhaltenen Primärdaten muss nach den in der Sozialwissenschaft anerkannten Tabellenmethoden oder Regressionsmethoden erfolgen, wobei § 7 Abs. 1 MsV auch Kombinationsmodelle ermöglicht (zu den Einzelheiten BeckOGK/Fleindl, § 558d BGB Rn 10 ff.). Schließlich setzt § 20 MsV eine Niederlegung der Arbeitsschritte in einer Dokumentation voraus, um die Ergebnisse nachvollziehbar und überprüfbar zu machen (BGH, Urt. v. 21.11.2012 – VIII ZR 46/12, NZM 2013, 138). Diese Dokumentation ist vom übrigen Mietspiegel textlich gesondert zu führen, § 20 Abs. 2 S. 2 MsV (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 558d BGB Rn 106).

 

Hinweis:

Wenn im Mieterhöhungsprozess die Mieterseite die Vermutungswirkung nach § 558d Abs. 3 BGB bestreitet, muss sie sich mit den in der Dokumentation niedergelegten Grundsätzen und einzelnen Arbeitsschritten substantiiert auseinandersetzen. Die Vermieterseite muss dann mit einem geeigneten Beweismittel (Einholung von amtlichen Auskünften nach § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, die Vernehmung von Zeugen, die an der Erstellung des Mietspiegels beteiligt waren oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens) die in § 558d Abs. 3 BGB genannten Voraussetzungen zur Überzeugung des Tatgerichts deren Vorliegen beweisen.

2. Anerkennung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde

Da ein Mietspiegel weder ein Verwaltungsakt noch eine Allgemeinverfügung oder eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift ist (vgl. hierzu Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 558d BGB Rn 108 m.w.N.), verlangt das Gesetz neben der fachgemäßen Erstellung nach wissenschaftlichen Grundsätzen gleichberechtigt eine Anerkennung des qualifizierten Mietspiegels durch die nach Landesrecht zuständige Behörde oder alternativ durch je einen Interessenverband der Mieter und Vermieter. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist regelmäßig die jeweilige Gemeinde, die durch ihr vertretungsberechtigtes Organ (Stadt- oder Gemeinderat) die Anerkennung aussprechen muss. Die sodann erfolgte Anerkennung bezieht sich darauf, dass der jeweilige Anerkennende den vorliegenden Mietspiegel „als qualifizierten Mietspiegel mit den gesetzlichen Rechtsfolgen für die Gemeinde” anerkennt (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 558d BGB Rn 110).

 

Hinweis:

Auch der qualifizierte Mietspiegel kann nur inzident im Rahmen eines vor den ordentlichen Gerichten zu erhebenden Mieterhöhungsprozesses überprüft werden. Eine Klage vor den Verwaltungsgerichten z.B. als Feststellungsklage, dass der jeweilige Mietspiegel nicht qualifiziert i....

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