Jede bauliche Maßnahme, die auf eine Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums abzielt, ist im Wohnungseigentumsrecht als modernisierende Instandsetzung, Modernisierung oder bauliche Veränderung einzustufen. Die Bagatellmaßnahme ist eine bauliche Veränderung, durch die die Wohnungseigentümer nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.

Nach Timme/Elzer besteht das mit § 22 Abs. 2 WEG verfolgte gesetzgeberische Anliegen dabei vor allem darin, dem Wohnungseigentümer – unabhängig von dem Bestehen eines Reparaturbedarfs – die Befugnis einzuräumen, mit qualifizierter Mehrheit einer Verkehrswertminderung durch Anpassung der Wohnanlage an die "Erfordernisse der Zeit" entgegenzuwirken. Im Hinblick auf § 22 Abs. 1 WEG soll eine erweiterte Beschlusskompetenz geschaffen werden. Eine modernisierende Instandsetzung setzt voraus, dass eine gegenwärtige oder baldige Reparaturbedürftigkeit besteht. Bei § 22 Abs. 2 WEG fehlt es an einem prägenden Bezug zur Reparaturbedürftigkeit (Timme/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 22 Rn 63–65; Rn 189–290). Grundlegend ist das BGH-Urteil vom 14.12.2012 (V ZR 224/11, NJW 2013, 1439):

  • Der Kläger ficht mehrere Beschlüsse der Eigentümerversammlung an, mit denen sanierungsbedürftige Holz-Balkonbrüstungen "im Wege der modernisierenden Instandsetzung" durch solche aus Stahl und Glas ersetzt werden sollten:

    1. Im Grundsatz kann auch eine bauliche Maßnahme, die eine optische Veränderung der Wohnungseigentumsanlage bewirkt, eine Gebrauchswerterhöhung darstellen und durch qualifizierte Mehrheit beschlossen werden.
    2. Dies setzt voraus, dass die Maßnahme aus der Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers eine sinnvolle Neuerung darstellt, die voraussichtlich geeignet ist, den Gebrauchswert des Wohnungseigentums nachhaltig zu erhöhen; an einer solchen sinnvollen Neuerung wird es unter anderem dann fehlen, wenn die entstehenden Kosten bzw. Mehrkosten außer Verhältnis zu dem erzielbaren Vorteil stehen.
    3. Ist eine erhebliche optische Veränderung der Wohnungseigentumsanlage weder als modernisierende Instandsetzung noch als Modernisierungsmaßnahme einzuordnen, bedarf sie als nachteilige bauliche Maßnahme der Zustimmung aller Wohnungseigentümer.

Der BGH hat sich in dieser Entscheidung intensiv mit der Definition des Nachteils i.S.v. §§ 22 Abs. 1 S. 1, 14 Nr. 1 WEG, der Abgrenzung von modernisierender Instandsetzung zur Modernisierung und baulichen Veränderung sowie einer notwendigen Kosten-/Nutzen-Analyse beschäftigt.

 

Hinweis:

Diese Entscheidung im Einzelnen darzustellen, würde den Umfang des Beitrags sprengen. Um als Rechtsanwalt kompetent zu beraten, sollte man diese Entscheidung studiert haben. Denn viele Beschlüsse, die vor dem Wohnungseigentumsgericht "landen", werden den Anforderungen dieser BGH-Entscheidung nicht gerecht.

Der Leitsatz der in o.g. Urteil herangezogenen Entscheidung des BGH (Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 82/10, ZMR 2011, 490 = NZM 2011, 281) lautet: "Die von § 22 Abs. 2 S. 1 WEG angeordnete entsprechende Heranziehung der mietrechtlichen Regelung des § 559 Abs. 1 BGB gibt Raum für eine großzügigere Handhabung des Modernisierungsbegriffes" (s. dazu auch unten 4. e).

 

Praxishinweis:

Im Gespräch mit Architekten und Ingenieuren sollten Anwälte wissen, dass die DIN 31051 2012-9 und DIN EN 13306 2010-12 andere Begrifflichkeiten haben. Nach vorgenannter DIN umfasst "Instandhaltung" vier Grundmaßnahmen: Wartung – Inspektion – Instandsetzung – Verbesserung. Die wohnungseigentumsrechtlichen Begrifflichkeiten sind also ggf. den Architekten und Ingenieuren zu erläutern.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge