Für den Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung (§ 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) ist in der Rechtsprechung des BVerwG entschieden, dass der Widerrufsbescheid umfassend auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen ist und das Gericht auch vom Kläger nicht geltend gemachte Anfechtungsgründe sowie von der Behörde nicht angeführte Widerrufsgründe einzubeziehen hat (BVerwGE 146, 31, Rn. 9). Denn die Aufhebung eines solchen, nicht im Ermessen der Behörde stehenden, Verwaltungsaktes setzt nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO u.a. seine objektive Rechtswidrigkeit voraus; daran fehlt es auch dann, wenn er aus einem im Bescheid oder im Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig ist. Liegt der im Widerrufsbescheid allein angeführte Widerrufsgrund nicht vor, so ist eine Klage erst dann begründet, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar ist und er den Adressaten in seinen Rechten verletzt, insbesondere also wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden. Dies entspricht der im Asylverfahren geltenden Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime, nach der alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen in einem Prozess abschließend geklärt werden sollen (s.a. BVerwGE 140, 319, Rn. 10).

Diese Grundsätze gelten nach dem Urteil des BVerwG vom 29.6.2015 (1 C 2.15) gleichermaßen auch für den Widerruf der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 73c Abs. 2 AsylVfG. Ein Ermessen sei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insoweit nicht eingeräumt. Es handele sich um eine rechtlich gebundene Entscheidung. Damit sei grundsätzlich auch das Auswechseln des einem Bescheid zugrunde liegenden Sachverhalts jedenfalls dann möglich, wenn die Entscheidungsformel unverändert bleibe. Dadurch werde die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt. Denn dem Betroffenen sei zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung rechtliches Gehör zu solchen Tatsachen zu gewähren, die nicht schon in dem angefochtenen Bescheid zur Stützung des Widerrufs herangezogen worden seien und mit deren Verwertung der Betroffene nicht zu rechnen gehabt habe.

 

Hinweis:

Das auch aus der im Asylverfahren geltenden Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime folgende Gebot einer umfassenden Prüfung eines Widerrufsbescheides auf seine Rechtmäßigkeit erfasst daher nicht nur die Berücksichtigung unterschiedlicher Widerrufstatbestände, sondern innerhalb des Widerrufstatbestandes nach § 73c Abs. 2 AsylVfG auch die Frage, ob die Voraussetzungen für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht mehr vorliegen, weil sich die schutzbegründenden Umstände erheblich und dauerhaft verändert haben.

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