Durch § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG wird der Kreis der Mitunternehmerschaften für die Fälle erweitert, in denen die Gesellschaft selbst nicht in vollem Umfang, aber entweder teilweise gewerblich tätig wird (Alt. 1) oder z.B. durch Einkünfte aus einer Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft (Alt. 2) gewerbliche Einkünfte bezieht.

Ist der Tatbestand erfüllt, kommt es zur sog. Abfärbung oder auch Infektion, was zur einheitlichen Qualifikation aller Einkünfte der Gesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb führt. Die Abfärbung ist insb. für Personengesellschaften relevant, deren Gesellschafter als Freiberufler ausschließlich Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit (§ 18 EStG) erzielen.

 

Beispiel:

A und B betreiben gemeinschaftlich eine Hautarztpraxis, in der (gewerblich) Kosmetikbehandlungen durchgeführt werden und Kosmetikprodukte verkauft werden (weitere Beispiele nach der Rechtsprechung: BFH, Urt. v. 18.5.1995 – IV R 31/94, BStBl II 1995, 718, zur Tanzschule mit Getränkeverkauf; BFH, Urt. v. 12.12.2001 – XI R 56/00, BStBl II 2002, 202, zur Tätigkeit des Insolvenzverwalters).

Kommt es hier aufgrund von teilweise gewerblichen Einkünften zur Abfärbung, so führt dies dazu, dass die Personengesellschaft insgesamt gem. § 2 Abs. 1 GewStG zum Subjekt der Gewerbesteuer wird und sämtliche Einkünfte gewerbesteuerpflichtig werden. Zudem kann die Gesellschaft ihren Gewinn infolge der Infektion nicht mehr gem. § 4 Abs. 3 EStG durch die sog. Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, sondern muss ihren Gewinn künftig durch Betriebsvermögensvergleich (Bilanzierung) nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln. Auch entfällt durch die Infektion das Privileg der Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten – der sog. Ist-Versteuerung –, das Freiberuflern gem. § 20 Nr. 3 UStG zu gewähren ist.

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Einsatzes von Legal-Tech-Software hat auch der Ausschuss für Steuerrecht der BRAK im November 2019 vor den Gefahren einer Infektion für Rechtsanwaltskanzleien gewarnt (abrufbar unter: https://www.brak.de/w/files/01_ueber_die_brak/aus-der-arbeit-der-ausschuesse/2019-11-15-ueberarbeitung-des-beitrag-gewerblichkeit.pdf ). Da insb. große Kanzleien nicht mehr nur klassische anwaltliche Dienstleistungen erbringen, haben sich einige Kanzleien bereits dazu entschieden, freiwillig gewerbliche Einkünfte zu erklären (Juve Rechtsmarkt 11/2019, abrufbar unter; https://www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/2019/09/magic-circle-kanzleien-darum-zahlen-wir-gewerbesteuer ).

Bei gewerblichen Tätigkeiten in äußerst geringfügigem Umfang sollen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Rechtsfolgen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nach Auffassung des BFH nicht eintreten. Die Geringfügigkeitsgrenze sieht der BFH in Anlehnung an § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG bei 24.500 EUR im Veranlagungszeitraum, sofern die gewerblichen Nettoumsatzerlöse nicht mehr als 3 % des Gesamtumsatzes ausmachen (BFH, Urt. v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, BStBI II 2015, S. 1002; v. 27.8.2014 – VIII R 41/11, BStBI II 2015, S. 999; v. 27.8.2014 – VIII R 16/11, BStBI II 2015, S. 996).

 

Hinweis:

Die Praxis entgeht der Infektion dadurch, dass die gewerbliche Tätigkeit durch eine (beteiligungsidentische) Schwesterpersonengesellschaft ausgeübt wird und der gewerbliche und freiberufliche Betrieb klar getrennt werden.

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