Kann eine Entscheidung, etwa wegen unbekannten Aufenthalts des Adressaten, nicht zugestellt werden, greifen die Gerichte gerne auf die öffentliche Zustellung zurück. Diese ist für Zustellungen an den Beschuldigten/Angeklagten in § 40 StPO geregelt.

Obwohl § 40 StPO nur vom Beschuldigten bzw. Angeklagten, nicht aber vom Verurteilten spricht, besteht Einigkeit darüber, dass die öffentliche Zustellung nicht nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens möglich ist, sondern auch bei Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren. Somit kann insbesondere der Beschluss über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung öffentlich zugestellt werden (KK-Maul, a.a.O.).

In der Praxis stellt sich die öffentliche Zustellung freilich häufig als reine Fiktion heraus: Der Adressat erhält von der vermeintlich zugestellten Entscheidung i.d.R. keine Kenntnis, ehe es zu einem späteren Zeitpunkt zu Zwangsmaßnahmen im Rahmen der Vollstreckung kommt.

Angesichts dieser drohenden Konsequenzen wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu Recht immer wieder hervorgehoben, dass die öffentliche Zustellung nur ultima ratio sein kann (so z.B. OLG Hamm, Beschl. v. 17.1.2013 – 3 RBs 214/12, NWVBl 2013, 422). Trotz dieser klaren Vorgabe kommt es aber bei der Anordnung der öffentlichen Zustellung immer wieder zu Nachlässigkeiten.

So wird oftmals übersehen, dass die Anordnung der öffentlichen Zustellung nur durch einen förmlichen Gerichtsbeschluss erfolgen kann. Eine Verfügung des Vorsitzenden genügt nicht.

 

Hinweis:

Hierbei handelt es sich nicht um eine bloße Formalie. Vielmehr führt das Fehlen des erforderlichen Beschlusses zur Unwirksamkeit der Zustellung. Fristen werden dann nicht in Lauf gesetzt (Meyer-Goßner/Schmitt, § 40 Rn 6).

Darüber hinaus setzt die öffentliche Zustellung voraus, dass es im Inland an einer anderen Zustellmöglichkeit fehlt. Kann an einen Zustellungsbevollmächtigten oder an einen Verteidiger (Pflichtverteidiger oder, unter den Voraussetzungen des § 145a StPO, Wahlverteidiger) zugestellt werden, scheidet eine öffentliche Zustellung aus.

Weiter verlangt die Rechtsprechung – und hier liegt die häufigste Fehlerquelle –, dass vor Anordnung der öffentlichen Zustellung alle zur Verfügung stehenden Mittel genutzt werden, um den Aufenthaltsort des Beschuldigten/Verurteilten zu ermitteln. Hier ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG NStZ-RR 2005, 206). Insbesondere genügt es nicht, wenn ein Schriftstück in den Rücklauf gerät – auch nicht, wenn es Vermerke wie „Empfänger an der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ oder „Empfänger unbekannt verzogen“ enthält. Auch die Mitteilung einer anderen Wohnanschrift durch das Einwohnermeldeamt ist unzureichend (KK-Maul, § 40 Rn 7).

Vielmehr müssen weitere Schritte ergriffen werden. In Betracht kommen Anschriftenüberprüfungen durch die Polizei, Anfragen an Bewährungshelfer und/oder Betreuer oder beim staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister. Bei Ausländern ist zudem eine Nachfrage beim Ausländerzentralregister angezeigt.

 

Hinweis:

Hin und wieder kommt es vor, dass Gerichte beim Verteidiger nach der aktuellen Anschrift des Mandanten fragen. Eine entsprechende Mitteilung an das Gericht kann im Einzelfall zur Vermeidung von Problemen sinnvoll sein, etwa weil das vermeintliche Untertauchen lediglich auf eine versehentlich unterbliebene Ummeldung nach einem Wohnungswechsel zurückzuführen ist. Hier liegt es im Interesse des Mandanten, dass der Verteidiger die neue Anschrift mitteilt und das Versäumnis des Angeklagten aus der Welt schafft. Dennoch sollte eine Adressmitteilung nur erfolgen, wenn dem Verteidiger das ausdrückliche Einverständnis des Mandanten vorliegt – alles andere wäre im Hinblick auf die anwaltliche Schweigepflicht problematisch.

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