Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf einen Beschluss des V. Zivilsenats vom 28.9.2017 (Az. V ZB 109/16), mit welchem der Senat seine Anfang des Jahres begründete Rechtsprechungslinie fortsetzt (vgl. Beschl. v. 9.3.2017 – V ZB 18/16, ZAP EN-Nr. 434/2017), nach der ein Rechtsanwalt in aller Regel einem unverschuldeten Rechtsirrtum unterliegt, wenn er in einer Wohnungseigentumssache aufgrund einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung Berufung nicht bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG zuständigen Berufungsgericht, sondern bei dem für allgemeine Zivilsachen zuständigen Berufungsgericht einlegt. Als Folge dieser Rechtsprechung ist der Partei Wiedereinsetzung in die aus diesem Grund versäumte Berufungsfrist zu gewähren (vgl. zustimmend Geisler jurisPR-BGHZivilR 12/2017 Anm. 3). Die Entscheidung zeigt, dass selbst der BGH bei der Frage, ob eine Zuständigkeitskonzentration i.S.d. § 72 Abs. 2 GVG eintritt, so viele Unwägbarkeiten sieht, dass eine insofern unrichtige Rechtmittelbelehrung praktisch nie "offenkundig fehlerhaft" sein kann; eine solche Sichtweise wäre aber Voraussetzung, um die Vermutungsregelung in § 233 S. 2 ZPO widerlegen zu können.

Insgesamt ist es zu begrüßen, dass sich ein Anwalt nach Auffassung des BGH grundsätzlich auf die vom Gericht erteilten Rechtsmittelbelehrungen verlassen können muss. Der V. Zivilsenat hat in seiner jüngsten Entscheidung sogar einem Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht im Hinblick auf die Frage der offenkundigen Fehlerhaftigkeit keinen erhöhten Kenntnisstand unterstellt. Man wird gleichwohl die Entscheidung nicht dahingehend verallgemeinern können, dass ein Anwalt stets ausnahmslos auf die erteilte Rechtsmittelbelehrung vertrauen darf. Immerhin hatte der V. Senat bei einer Belehrung, die statt einer Rechtsbeschwerde "die Beschwerde" als statthaftes Rechtsmittel angeführt hatte, noch anders entschieden (vgl. Beschl. v. 12.10.2016 – V ZB 178/15, s. auch die restriktive Entscheidung, die das LSG Niedersachsen mit Beschl v. 24.8.2017 – L 14 U 49/17 getroffen hat). Auch lässt sich der Entscheidung nicht allgemein entnehmen, dass mit der Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung insgesamt kein erhöhter Verschuldensmaßstab des Rechtsanwalts verbunden sein kann.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge