In der anwaltlichen Beratung und Vertretung können aus Systematik und Geflecht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Obliegenheiten gewonnene Einsichten nützlich sein.

1. Organisationspflichten, § 33 WpHG

Die Vorschriften der §§ 33, 34d WpHG zur Sachkunde, Zuverlässigkeit von Mitarbeitern im Anlagebereich und zum Beschwerderegister werden ergänzt durch grundlegende Pflichten des WpD-Unternehmens. Das Institut hat u.a. Grundsätze aufzustellen und Verfahren einzurichten um die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften sicherzustellen und eine dauerhafte, wirksame und unabhängige Compliance-Funktion zu schaffen (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG). Zudem hat das Unternehmen sicherzustellen, dass Beschwerden von Privatkunden in einem wirksamen und transparenten Verfahren angemessen und unverzüglich bearbeitet und dokumentiert werden (§ 33 Abs. 2 Nr. 4 WpHG). Des Weiteren verlangt der Gesetzgeber die regelmäßige Beteiligung der Geschäftsleitung und des Aufsichtsorgans durch Prüfung der Berichterstattungen zum Anlagebereich (§ 33 Abs. 1 Nr. 5 WpHG).

Damit wurde dem Abwälzen von Verantwortung innerhalb der Bank, ein Riegel vorgeschoben. Letztendlich tragen sowohl der Anlageberater, sein Vorgesetzter, der Vorstand (AG, eG, Sparkasse) und der Aufsichts- (AG, eG) bzw. Verwaltungsrat des Wertpapierhandelsunternehmens eine Mitverantwortung für Missstände im generellen und im Einzelfall.

Bei Vorliegen konkreter Tatsachen für Pflichtverletzungen, können sich nacheinander oder alternativ im Bestreben um außergerichtliche Einigung nachstehende Maßnahmen anbieten:

  • Anschreiben des Vorstandes/der Geschäftsleitung des WpD-Unternehmens mit Hinweis auf Kausalität entstandenen Schadens durch Schlechtberatung;
  • Schreiben an den Vorstand/die Geschäftsleitung wegen durch Tatsachen unterlegter Vermutung der Verletzung von Organisationspflichten des § 33 WpHG (möglichst konkret benennen);
  • Schreiben an den Vorsitzenden des Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsrats mit Hinweis auf seine Überwachungspflicht und Mitverantwortung;
  • Ankündigung der Anzeige zum Beschwerderegister der BaFin mit Nennung von Sachverhalt und Namen, Beifügen aussagekräftiger Unterlagen;
  • Anzeige zum Beschwerderegister der BaFin (die BaFin prüft den Sachverhalt nach, erteilt aber keine Auskünfte).
 

Wichtig:

Banken scheuen den "Kontakt" mit der BaFin wegen möglicher persönlicher Konsequenzen: "Missbilligung/Beanstandung", "Verwarnung" von Geschäftsleitern und/oder Mitgliedern des Aufsichts- oder Verwaltungsrats (dazu ausführlich: Glenk, Genossenschaftsrecht, Kap. H. Kreditgenossenschaft und Aufsichtsbehörde sowie Anhang "bankaufsichtliche Maßnahmen", 2. Aufl. 2013).

 

Hinweise:

  1. Bei Sparkassen tragen Kommunalpolitiker die Verantwortung im Verwaltungsrat, die an Konfliktvermeidung interessiert sind. Eventuell fördert das Einschalten des Verwaltungsratsvorsitzenden (i.d.R. Oberbürgermeister/Bürgermeister oder Landrat) die Einigungsbereitschaft, um Erörterungen in Stadtrat, Kreistag oder Lokalpresse zu vermeiden.
  2. Genossenschaftsbanken sind in der Fläche verwurzelt und stark mitgliederorientiert. Jeder (!) Anteilseigner kann in der Generalversammlung (unangenehme) Fragen stellen und die Amtsführung des Vorstands bzw. Aufsichtsrats, auch einzelner Organmitglieder beeinflussen. Kreditgenossenschaften sind – ebenso wie Sparkassen – i.d.R. an einvernehmlichen Regelungen unter Vermeidung der Öffentlichkeit interessiert.

2. Beratungsprotokoll

"Banken müssen die Erfüllung ihrer Beratungs- und Aufklärungspflichten gegenüber Kapitalanlegern nicht schriftlich dokumentieren", so die Kernaussage eines BGH-Urteils, das bundesweit für Aufsehen gesorgt hat, weil es dem geschädigten Anleger die komplette Beweislast bei einem erlittenen Anlageverlust aufbürdete (BGH, Urt. v. 24.1.2006 – XI ZR 320/04, NJW 2006, 1429).

Seitdem ist die Anfertigung eines Beratungsprotokolls gesetzlich vorgeschrieben, das von dem Berater zu unterzeichnen ist.

Mindestinhalt:

  • Informationen über den Anlass der Beratung,
  • Dauer des Beratungsgesprächs,
  • persönliche Situation des Kunden,
  • Anlageinteressen,
  • Empfehlungen des Bankberaters, Gründe für die Empfehlung.

Eine Ausfertigung ist dem Kunden unverzüglich nach Abschluss der Anlageberatung zur Verfügung zu stellen (§ 34 Abs. 2a WpHG). In einem etwaigen Schadensersatzprozess ist das Beratungsprotokoll eines der wichtigsten Beweismittel. Der Anleger sollte deshalb Unrichtigkeiten und Auslassungen umgehend schriftlich rügen und Korrektur bzw. Ergänzung verlangen.

 

Hinweis:

Banken argumentieren mitunter bei Herausgabeverlangen, die Unterlagen seien im Hinblick auf die dreijährige Verjährungsfrist gem. § 199 BGB vernichtet worden. Aber: Gemäß § 34 Abs. 3 WpHG sind alle Aufzeichnungen in Bezug auf die Anlageberatung, also auch die Beratungsprotokolle, mindestens fünf Jahre ab dem Zeitpunkt der Erstellung aufzubewahren.

Die BaFin verlangt für die Anlageberatung darüber hinaus weitere Aufzeichnungen des Instituts:

Aufbewahrungspflicht und Aufzeichnungspflichten in Bezug auf

  • den Kundenkontakt, d.h. Aufzeichnungen über Identität des Kunden und der Personen, die für de...

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