Teil 2: Phase 5 „Einreichung des Scheidungsantrags” bis Phase 10 „Rechtskraft der Scheidung”

I. Vorbemerkung

Scheidungsverfahren ziehen sich über einen längeren Zeitraum hin. In dieser Zeit treten eine Reihe von rechtlichen Veränderungen ein, über die der familienrechtlich beratende Anwalt gut informiert sein muss, um die sich jeweils an bestimmte Zeitabschnitte anknüpfenden rechtlichen Konsequenzen im Auge zu behalten. Dargestellt wurden in einem ersten Teil die Phasen 1 "Trennung der Eheleute" bis 4 "Ablauf von drei Trennungsjahren" (s. ZAP F. 11, S. 1357 ff.). In einem zweiten Teil folgen nun die Phasen 5 "Einreichung des Scheidungsantrags" bis 10 "Rechtskraft der Scheidung".

II. Phase 5: Einreichung des Scheidungsantrags

Die in §§ 1565 ff. BGB geregelten Voraussetzungen der Scheidung müssen gegeben sein. Erforderlich ist die Zerrüttung der Ehe, die vorliegt, wenn die Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wieder herstellen. Das erste Trennungsjahr muss zumindest im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit – also bei der Zustellung – abgelaufen sein.

Die Zustellung des Scheidungsantrags wird durch das Gericht erst veranlasst, nachdem der Kostenvorschuss eingezahlt worden ist oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde. Aus praktischen Gründen ist es ratsam, den Kostenvorschuss auf der Basis des selbst geschätzten vorläufigen Verfahrenswertes (Scheidung und Versorgungsausgleich) sofort selbst einzuzahlen, da sonst mit Verzögerungen zu rechnen ist.

III. Phase 6: Zustellung des Scheidungsantrags

Die Zustellung des Scheidungsantrags hat eine Reihe von rechtlichen Konsequenzen.

1. Auswirkungen auf den Unterhalt

a) Erwerbsobliegenheit

Die Verschärfung der Erwerbsobliegenheiten des Ehegatten beim Trennungsunterhalt greift jedenfalls dann, wenn wegen des gestellten Scheidungsantrags das Scheitern der Ehe feststeht.

b) Wohnwertberechnung

Bei der Anrechnung des Wohnwerts können zwei Gesichtspunkte durch die Zustellung des Scheidungsantrags berührt werden:

  1. die Höhe des anzurechnenden Wohnvorteils (objektive Marktmiete oder nur angemessener Nutzungsvorteil),
  2. die Berücksichtigung von Tilgungsleistungen auf bestehende Darlehensverbindlichkeiten.

aa) Bemessung des Nutzungsvorteils

Im Regelfall wird mit der Zustellung des Scheidungsantrags deutlich, dass der antragstellende Ehegatte die Ehe als endgültig gescheitert ansieht (BGH, Urt. v. 5.3.2008 – XII ZR 22/06, FamRZ 2008, 963). Von diesem Zeitpunkt an ist dann die objektiv erzielbare Miete (der Vermietungswert) für die konkrete Wohnung bzw. das konkrete Haus als Wohnvorteil unterhaltsrechtlich anzusetzen. Denn dann nutzt der in der Wohnung verbliebene Ehegatte die Wohnung nur noch in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse. Aufgrund einer dann bestehenden Verwertungsobliegenheit wird der erzielbare Mietwert als fiktives Einkommen anzusetzen sein (BGH FamRZ 2000, 950; BGH FamRZ 1990, 269; s.a. BGH, Beschl. v. 19.3.2014 – XII ZB 367/12, FamRZ 2014, 923 m. Anm. Götz). Bei diesen fiktiven Mieteinkünften ist auch die Steuerbelastung zu berücksichtigen.

 

Praxishinweise:

  • Ausnahmen können greifen, wenn die Verwertung des Hauses objektiv unmöglich oder unwirtschaftlich ist, vom unterhaltsberechtigten Ehegatten verhindert wird oder bei einer nicht vorwerfbaren Verzögerung bei der Verwertung der Immobilie (BGH, Beschl. v. 19.3.2014 – XII ZB 367/12, NJW 2014, 1531).
  • Der erzielbare Mietwert ist vielfach nicht ohne Sachverständigengutachten feststellbar.
  • Angesichts der meist recht hohen Kosten eines solchen Sachverständigengutachtens sollte der beratende Anwalt immer sorgfältig prüfen, ob sich die Einholung eines Gutachtens tatsächlich lohnt.

bb) Anrechnung von Tilgungsleistungen

Bei den Tilgungsleistungen haben die Eigentümerverhältnisse eine Bedeutung. Sind die Eheleute Miteigentümer des Hauses, führt die Rückführung der Hausdarlehen zu einer Vermögenssteigerung bei beiden Eheleuten, bei Alleineigentum ist der andere Ehegatte bei vorher bestehender Zugewinngemeinschaft ab Zustellung des Scheidungsantrags an dem Vermögenszuwachs nicht mehr beteiligt.

Daher sind regelmäßig gezahlte Raten auf einen Kredit für die Ehewohnung während der gesamten Trennungszeit in voller Höhe – also neben dem Zins auch die Tilgung – und auch nicht nur beschränkt auf die Höhe des angemessenen Wohnvorteils als eheprägend – also bei der Ermittlung des Bedarfs – zu berücksichtigen. Auch im Rahmen der Bedürftigkeit sind diese gezahlten Kreditraten bei der Bemessung des geschuldeten Trennungsunterhalts regelmäßig in voller Höhe (Zins und Tilgung) anzurechnen, allerdings beschränkt auf die Summe aus eigenen Einkünften und Gebrauchsvorteilen dieses Ehegatten (BGH NJW 2007, 1974; FamRZ 2008, 963; NJW 2013, 461).

Führen die Tilgungsleistungen aber zu einer nur noch einseitigen Vermögensbildung eines Ehegatten (so bei Zugewinngemeinschaft vom Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags an), sind diese Zahlungen unterhaltsrechtlich nicht mehr im Rahmen der Berechnung des Wohnvorteils als Abzugsposition anzuerkennen.

 

Praxishinweise:

  • Die weiterhin erbrachten Tilgungsleistungen können aber als zulässige Rücklagen für die Altersversorgung anerkannt werden. Denn der Unterhaltspflichtige darf von seinen Einkünften grundsätzlich neben der gese...

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