Die Vortätigkeit des Richters ist, wenn sie das Gesetz nicht ausdrücklich zu einem Ausschließungsgrund nach den §§ 22, 23 StPO erhoben hat (vgl. IV 3), grds. ebenfalls kein Ablehnungsgrund, sofern zu ihr nicht besondere Umstände hinzukommen, die die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. u.a. BGHSt 24, 336; BGH NJW 2009, 1287 [Ls.]; NStZ 2012, 519; 2014, 660; StraFo 2018, 429; OLG Oldenburg StraFo 2021, 21; s. auch noch EGMR StV-S 2021, 41; zur Vortätigkeit Burhoff, EV Rn 48 ff.; Burhoff, HV, Rn 115 ff.). Ein Richter ist daher nicht schon allein deshalb befangen, weil er mit dem Sachverhalt bereits befasst war. Denn ein verständiger Angeklagter kann und muss davon ausgehen, dass der Richter sich dadurch nicht für künftige Entscheidungen festgelegt hat (BGH NStZ 2012, 519; 2018, 483; auch noch OLG Oldenburg StraFo 2021, 332). Seine Beteiligung an der Eröffnung des Hauptverfahrens begründet daher grds. nicht die Ablehnung (BVerfG NJW 1971, 1029; BGH NStZ 2016, 357; zur Ablehnung wegen Eröffnung des Hauptverfahren vor Ablauf der Erklärungsfrist aber OLG Hamm NStZ-RR 1997, 78 f.; LG Berlin StV 1993, 8). Er ist auch regelmäßig nicht deshalb befangen, weil er bereits in einem anderen (Zivil- oder Straf-)Verfahren mit demselben Sachverhalt dienstlich befasst war und z.B. einen früheren Mitangeklagten wegen der Tat(-beteiligung) verurteilt hat, die nunmehr auch Gegenstand des Verfahrens gegen den Angeklagten ist (BGHSt 43, 96; BGH NStZ 2016, 357 m.w.N.; StV 1987, 1; StraFo 2016, 289). Etwas anderes kann gelten, wenn z.B. die Gründe des früheren Urteils die Besorgnis der Befangenheit begründen (BGH NStZ 2018, 483; LG Heilbronn StV 1987, 333; weit. Nachw. bei Burhoff, EV, Rn 120), z.B. wenn der jetzige Angeklagte in ihnen als Zeuge für unglaubwürdig angesehen worden ist (OLG Celle NJW 1990, 1308; AG Bochum StRR 2009, 345; s. dazu auch OLG Bremen StV 1991, 57; LG Bremen StV 1990, 203).
Auch die Mitwirkung an Zwischenentscheidungen im anhängigen Verfahren und die in diesen Entscheidungen geäußerten Rechtsmeinungen rechtfertigt i.d.R. nicht die Ablehnung (BGH NStZ 1985, 492), selbst wenn in ihnen die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zum Ausdruck gekommen sein sollte (BGH NStZ 2012, 519). Das gilt auch, wenn die Zwischenentscheidung auf einem Verfahrensfehler, auf einem tatsächlichen Irrtum oder auf einer unrichtigen oder unhaltbaren Rechtsansicht beruht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 24 Rn 14 m.w.N.), sofern sie nicht völlig abwegig ist oder sogar den Anschein der Willkür erweckt (vgl. BGH NJW 1990, 1373 für den Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung ohne wichtigen Grund; LG Hildesheim StV 1987, 12 für die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs und LG Köln StV 1987, 382 für unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbare Versagung der Akteneinsicht; Burhoff, HV, Rn 123 m.w.N.).