1. Generalprävention zur Begründung eines Ausweisungsinteresses

Einem Ausländer steht kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zu, wenn es an der allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG fehlt, weil dann kein Ausweisungsinteresse besteht. Für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer tatsächlich ausgewiesen werden könnte. Vielmehr reicht es aus, dass ein Ausweisungsinteresse gleichsam abstrakt – d.h. nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen – vorliegt, wie es insbesondere im Katalog des § 54 AufenthG normiert ist. Der Begriff des Ausweisungsinteresses verweist auf das Ausweisungsrecht und greift die in § 53 Abs. 1, § 54 AufenthG gewählte und anhand von Beispielen erläuterte Begriffsbildung auf. Diese Vorschriften regeln die Aufenthaltsbeendigung bei Vorliegen eines öffentlichen Ausweisungsinteresses. Umgekehrt setzt die Begründung eines rechtmäßigen Aufenthalts durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.d.R. voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht.

Nach dem Urteil des BVerwG vom 12.7.2018 (1 C 16.17, FamRZ 2018, 1544 ff. = InfAuslR 2018, 395 ff. = DVBl 2019, 312 ff.) können auch allein generalpräventive Gründe ein Ausweisungsinteresse begründen. Der Wortlaut des § 53 Abs. 1 AufenthG lasse generalpräventive Gründe zu. Diese grundlegende Norm des neuen Ausweisungsrechts verlange nämlich nicht, dass von dem ordnungsrechtlich auffälligen Ausländer selbst eine Gefahr ausgehen müsse. Vielmehr müsse dessen weiterer "Aufenthalt" eine Gefährdung bewirken. Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen habe, könne aber auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr mehr ausgehe, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten würden, vergleichbare Delikte zu begehen (vgl. zum früheren Ausweisungsrecht BVerwGE 142, 29 Rn 17 ff.).

2. Hinweis in Rechtsbehelfsbelehrung auf Abfassung der Klage in deutscher Sprache

Nach § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Klagefrist nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist belehrt worden ist. Eine Belehrung über die Form des einzulegenden Rechtsbehelfs ist nicht erforderlich (BVerwGE 50, 248, 250 ff.; 57, 188, 190). Unschädlich ist daher, dass über die möglichen Formen der Klageerhebung einschließlich der Möglichkeit der Klageerhebung zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht belehrt worden ist.

Das BVerwG hat sich mit der Frage befasst, ob der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung, dass die Klage "in deutscher Sprache abgefasst" sein müsse, diese unrichtig mache.

 

Hinweis:

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist auch dann unrichtig, wenn sie einen nicht erforderlichen Zusatz enthält, der fehlerhaft oder irreführend ist und dadurch generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwGE 57, 188, 190). Dabei ist darauf abzustellen, wie ein Empfänger die Erklärung bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BVerwG DÖV 1981, 635). Ungeachtet des Umstands, dass der Empfänger eines Asylbescheids i.d.R. der deutschen Sprache unkundig ist, ist wegen der Maßgeblichkeit der deutschen Fassung der Rechtsbehelfsbelehrung auf einen Empfänger abzustellen, der der deutschen Sprache mächtig ist (vgl. OVG Münster, Urt. v. 18.5.2018 – 1 A 2/18.A).

Nach dem Urteil des BVerwG vom 29.8.2018 (1 C 6.18, NJW 2019, 247 ff. = DVBl 2019, 174 ff. = NVwZ 2019, 167 ff. = InfAuslR 2018, 441 ff.) ist der Hinweis auf die Einreichung "in deutscher Sprache" weder fehlerhaft noch irreführend. Denn die Gerichtssprache sei deutsch (§ 55 VwGO i.V.m. § 184 Satz 1 GVG). Eine in einer anderen Sprache erhobene Klage sei unwirksam (BGHSt 30, 182). Dem Hinweis auf die Gerichtssprache werde ein objektiver Empfänger die maßgebliche Bedeutung beimessen; schon deswegen werde er dem Verb "abfassen" kein eigenständiges Gewicht einräumen. Asylantragstellern werde im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit eröffnet, ihr Anliegen – auch bei der Antragstellung – in ihrer Muttersprache vorzutragen (§ 17 Abs. 1 AsylG). Erst bei der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens müssten sie ihr Anliegen in deutscher Sprache formulieren. Da es sich hierbei um eine für die Asylantragsteller wesentliche Änderung der verfahrensrechtlichen Gegebenheiten handele, würden sie den Zusatz als Information über die nunmehr vor Gericht zu verwendende Sprache auffassen.

3. Herabsetzung des Gegenstandswerts für reine Untätigkeitsbescheidungsklage im Asylrecht

Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG beträgt der Gegenstandswert in Klageverfahren nach dem Asylgesetz 5 000 EUR. Nach § 30 Abs. 2 RVG kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen, wenn der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfall...

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