Anfang Juni fand in Lübeck-Travemünde die diesjährige Frühjahrs-Justizministerkonferenz (JuMiKo) unter dem Vorsitz des Landes Schleswig-Holstein statt. Schwerpunkte der Tagung waren die ausreichende Finanzierung der Justiz – wobei auch die Gebührenforderungen der Anwaltschaft eine Rolle spielten – sowie Anpassungen des Straf- und Strafprozessrechts an aktuelle Entwicklungen. Die für die Anwaltschaft interessantesten Beschlüsse der JuMiKo sind nachstehend zusammenfassend wiedergegeben.

Leistungsfähigkeit der Justiz: Die Justizministerinnen und Justizminister waren sich auf der Tagung einig, dass die dauerhafte Sicherung einer leistungsstarken Justiz im gemeinsamen Interesse von Bund, Ländern, Rechtsdienstleistern und Rechtssuchenden liegt. Die Sicherung der Leistungsstärke setze eine angemessene Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ebenso voraus wie eine ausreichende personelle und sächliche Ausstattung der Justiz. Die Länder Hamburg, Hessen und Schleswig-Holstein wurden beauftragt, nun Gespräche mit den Vertretungen der Anwaltschaft zu führen. Das Bundesjustizministerium wurde gebeten, bei den anstehenden Beratungen über die Kostengesetze dafür Sorge zu tragen, dass ein angemessener Kostendeckungsgrad der Justiz erreicht wird.

Wirtschaftsstreitigkeiten ("Commercial Courts"): Die Justizminister sprachen sich dafür aus, dass die Vorschriften der Zivilprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes maßvoll reformiert werden sollten, um auch komplexe und häufig umfangreiche Wirtschaftsstreitigkeiten weiterhin bestmöglich und zügig bewältigen zu können. Sie befürworten vor diesem Hintergrund, den Ländern im Wege von Länderöffnungsklauseln zu ermöglichen, folgende Maßnahmen durch Rechtsverordnung vorzusehen:

  • eine über bundesgesetzliche Vorgaben hinausgehende obligatorische Einrichtung spezialisierter Spruchkörper;
  • die landesweite oder länderübergreifende Konzentration bestimmter Verfahren;
  • nach Möglichkeit eine Heranziehung der Handelsrichter entsprechend ihrer bereichsspezifischen Kenntnisse;
  • die Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen, die auf Parteiantrag tätig werden und vor denen das Verfahren vollständig in englischer Sprache geführt werden kann;
  • eine Länderöffnungsklausel für die Option eines komprimierten Instanzenzugs bei entsprechender Gerichtsstandsvereinbarung durch die Parteien an speziell zu schaffenden OLG-Senaten für Handelssachen bei Wirtschaftsstreitigkeiten mit sehr hohem Streitwert.

Einsatz von Legal Tech: Die Justizministerinnen und Justizminister sehen durchaus Vorteile für die Verbraucher durch Legal-Tech-Portale wegen des niedrigschwelligen Zugangs zur Rechtsdurchsetzung. Allerdings müsse man die Verbraucher auch vor unqualifizierter Rechtsberatung schützen. In der gerichtlichen Praxis sei daher der künftige Einsatz von digitalen Anwendungen nur unbedenklich, soweit es sich hierbei lediglich um die transparente und dadurch nachvollziehbare bloße Unterstützung der richterlichen Entscheidungsfindung handele. Der Rechtsanwaltschaft seien die nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz nicht erlaubnisfähigen Rechtsdienstleistungen durch Legal-Tech-Angebote vorzubehalten und entsprechende Anpassungen im anwaltlichen Berufs- und Gebührenrecht zu prüfen. Dabei müsse insbesondere sichergestellt werden, dass durch die rechtlichen Regelungen keine Wettbewerbsverzerrung stattfinde.

Hieb- und Stoßwaffen: Die Justizminister verwiesen darauf, dass das Sich-Verschaffen einer Hieb- oder Stoßwaffe zum Zwecke der Begehung eines terroristischen Anschlags nach ganz überwiegender Auffassung in der strafrechtlichen Literatur nicht den Tatbestand der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a StGB erfüllt. Das Bundesjustizministerium wurde daher gebeten zu prüfen, ob bereits die Beschaffung insbesondere von Hieb- und Stoßwaffen zum Zwecke der Begehung terroristischer Anschläge gesondert unter Strafe gestellt werden könne.

Hasskriminalität: Besorgt zeigten sich die Minister angesichts der zu beobachtenden zunehmenden Verrohung der Umgangsformen in der Gesellschaft, die sich insbesondere auch in Gewalt oder Gewaltandrohungen gegenüber Amts- und Mandatsträgern, Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Polizisten, Rettungskräften und ehrenamtlichen Helfern zeigt. Sie stellten fest, dass daraus Gefahren für das Zusammenleben in der Gesellschaft erwachsen können. Es soll daher geprüft werden, ob das geltende Strafrecht, insbesondere der Straftatbestand der Bedrohung nach § 241 StGB, noch geeignet ist, solche strafwürdige Gewaltandrohungen ausreichend zu erfassen.

Überlange Strafverfahren: Ausdrücklich begrüßt wurde auf der Justizministerkonferenz das derzeitige Vorhaben des Bundesjustizministeriums zur Weiterführung der StPO-Reform. Es sieht u.a. Regelungen zur erleichterten Ablehnung von missbräuchlichen Befangenheits- und Beweisanträgen, zur Bündelung der Interessen der Nebenklagevertretung und zur Vorabentscheidung über Besetzungsrügen vor. Die Minister verwiesen darauf, d...

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