Im Ansatz richtig, aber noch mit Mängeln behaftet ist nach Ansicht der im Bundestags-Rechtsausschuss Anfang Juni angehörten Sachverständigen ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem die strafrechtlichen Maßnahmen gegen den Menschenhandel an eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2011 angepasst werden sollen (BT-Drucks 18/4613). Der Gesetzentwurf fügt den bereits bestehenden Straftatbeständen des Menschenhandels zum Zweck der Arbeitsausbeutung und der sexuellen Ausbeutung Taten hinzu, bei denen ins Land gebrachte Menschen zu strafbaren Handlungen oder zum Betteln gezwungen oder ihnen Organe entnommen werden sollen; aus der Regierungskoalition kommt zudem der Vorschlag, in das Gesetz noch weitere Tatbestände, z.B. die Ausbeutung während einer Freiheitsberaubung aufzunehmen sowie eine Strafbarkeit der Freier von Zwangsprostituierten einzuführen.

Die Berliner Staatsanwältin mit Schwerpunkt Menschenhandel und Schleuserkriminalität, Leonie von Braun, äußerte in der Anhörung Einwände gegen die vorgesehenen Mindeststrafen für die einzelnen Deliktsarten, die nicht immer im richtigen Verhältnis zueinander und zu denen bei anderen Verbrechen stünden. So sei die Mindeststrafe bei schwerer Ausbeutung von Opfern des Menschenhandels wesentlich niedriger als bei erpresserischem Menschenraub, obwohl die Tat genauso schlimm sei. Der Tübinger Strafrechts-Professor Jörg Eisele monierte Überschneidungen mit anderen Gesetzen bzw. Gesetzesvorhaben, etwa den ebenfalls gerade in den Ausschussberatungen befindlichen Regelungen gegen Zwangsprostitution. Wenn zudem, wie zu erwarten, bei der Reform des Sexualstrafrechts eine "Nein-heißt-Nein-Lösung" für sexuelle Übergriffe beschlossen werde, erfasse diese auch Freier von Zwangsprostituierten. Dann drohe die in den Menschenhandels-Paragrafen geplante Kronzeugenregelung leerzulaufen, welche Freier von Zwangsprostituierten von Strafe freistellt, wenn sie aussagen.

An der gesamten Systematik des Gesetzesvorhabens und auch an den darin verwendeten Begrifflichkeiten hatte der Strafrechtler und Rechtstheoretiker Joachim Renzikowski von der Universität Halle-Wittenberg einiges auszusetzen. Im Ergebnis werde die Strafbarkeit in einigen Bereichen deutlich ausgeweitet, in anderen, z.B. der Arbeitsausbeutung, aber eingeschränkt.

Viele der derzeitigen Schwierigkeiten liegen, wie in der Anhörung immer wieder deutlich wurde, an der Abhängigkeit einer Strafverfolgung von der Aussage des Opfers. Diese seien dazu aus verschiedenen Gründen meist nicht bereit, u.a. weil im Heimatland zurückgebliebene Familienangehörige bedroht würden. Helga Gayer, die sich im Bundeskriminalamt mit diesem Deliktsfeld befasst, hält es deshalb für vordringlich, von dieser Abhängigkeit von der Opferaussage wegzukommen. Von den geplanten neuen Regelungen verspreche sich die Polizei schon eine wirksamere Verfolgung, wobei einzelne auch zu neuen Umsetzungsproblemen führen könnten. Der Augsburger Staatsanwalt Grimmeisen brachte noch den Wunsch nach mehr Telekommunikationsüberwachung ein, um objektive Beweismittel zu erhalten und nicht nur von der Aussage des Opfers abhängig zu sein.

Von mehreren Sachverständigen wurde kritisiert, dass Freiern von Zwangsprostituierten bei einer Aussage automatisch Straffreiheit gewährt werden soll, während es dem Staatsanwalt überlassen bliebe, ob er auf eine Strafverfolgung des Opfers wegen Verstößen gegen das Ausländerrecht verzichtet. Naile Tanis, Geschäftsführerin des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel KOK, forderte zudem, Opfern von Menschenhandel ein Aufenthaltsrecht unabhängig von ihrer Kooperationsbereitschaft im Strafverfahren zu gewähren. Viele seien traumatisiert und bräuchten erst eine längere "Bedenk- und Stabilisierungsfrist", bevor sie vor Gericht aussagen könnten. Zudem behaupte jetzt die Gegenseite oft, dass eine Zeugin nur gegen sie aussage, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Dieser Einwand ziehe dann nicht mehr.

[Quelle: Bundestag]

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