§ 36a Abs. 3 S. 1 SGB VIII verleiht einen Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für selbst beschaffte Hilfen (etwa Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege). Das sind Hilfen, die vom Leistungsberechtigten selbst abweichend von § 36a Abs. 1 und 2 SGB VIII erbracht werden, ohne dass eine Entscheidung des Trägers der Jugendhilfe oder eine Zulassung durch diesen vorangegangen ist. Der Übernahmeanspruch setzt nach § 36a Abs. 3 S. 1 SGB VIII voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).

§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gewährt – anknüpfend an die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe – dem Personensorgeberechtigten bei der Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen (§ 27 Abs. 2a Hs. 1 SGB VIII). Wird Hilfe zur Erziehung u.a. in Form der Vollzeitpflege gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen (§ 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII).

 

Hinweis:

Ein erzieherischer Bedarf i.S.v. § 27 Abs. 1 S. 1 SGB VIII setzt voraus, dass eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist. Die Vorschrift verlangt damit, dass infolge einer erzieherischen Defizit- bzw. Mangelsituation ein entsprechender erzieherischer Bedarf begründet worden ist (vgl. JAmt 2005, 524 f.; OVG Münster, Beschl. v. 22.9.2011 – 12 A 1596/10). Dabei ist danach zu fragen, ob diese Mangelsituation infolge des erzieherischen Handelns bzw. Nichthandelns der leiblichen Eltern des Minderjährigen eingetreten ist, diese also nicht in der Lage sind, den Bedarf zu decken (vgl. BVerwGE 142, 115 Rn. 19)

Nicht maßgeblich ist nach dem Urteil des BVerwG vom 9.12.2014 (5 C 32.13, FamRZ 2015,659 FF. = ZKJ 2015,167 ff.), ob ein Verwandter – z.B. die Großmutter – den Bedarf des Kindes (im Einvernehmen mit den Eltern) freiwillig deckt. Soweit das BVerwG in seinem Urteil vom 12.9.1996 (5 C 31.95, FEVS 47, 433, 437 = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 S. 10 f.) für die vorgezeichnete Konstellation der freiwilligen Verwandtenpflege auch schon ein Entfallen des erzieherischen Bedarfs erwogen bzw. angenommen hatte, hält es daran nicht mehr fest. Die Frage, ob eine erzieherische Mangelsituation bestehe, ist danach nicht mit Blick auf denjenigen zu beantworten, der sich als Verwandter um das Kind kümmert und der deshalb ggf. die elterliche Sorge vom Familiengericht übertragen bekommen und ein Kind in Pflege genommen hat. Es komme vielmehr darauf an, ob die vor dem In-Pflege-Nehmen oder einer sorgerechtlichen Entscheidung des Familiengerichts verantwortlichen Eltern oder anderen Sorgeberechtigten eine dem Wohl des Kindes förderliche Erziehung gewährleistet hätten.

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