Die Insassenunfallversicherung ist eine Unfallversicherung i.S.d. §§ 178 ff. VVG, die räumlich und zeitlich auf Unfallereignisse in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gebrauch des versicherten Fahrzeugs oder eines mit ihm verbundenen Anhängers beschränkt ist (A.4.1.1 AKB). A.4 AKB überträgt die Bedingungen der Allgemeinen Unfallversicherung (AUB), auf die und deren Kommentierungen verwiesen werden kann, auf den Bereich der Kraftfahrtversicherung. Es gelten die dort üblichen Risikoausschlüsse (A.4.10 AKB), Obliegenheiten und Leistungsversprechen (Leistungen bei Invalidität und Todesfall, Tagegeld, Krankenhaustagegeld, Genesungsgeld).

 

Hinweis:

Die Definitionen des Begriffes "Unfall" und die der diesem gleichgestellten Ereignisse sind mit denen der Allgemeinen Unfallversicherung identisch (§ 178 Abs. 2 VVG, 1.3/4 AUB).

Die Ansprüche bestehen unabhängig von einem Verschulden des Verletzten. Sie entfallen nur bei vom Versicherer zu beweisender (§§ 178 Abs. 1 S. 2, 183 Abs. 1 VVG) Freiwilligkeit. Die erlittene Verletzung muss gewollt sein. Bewusste Verkehrsverstöße und auch bewusst herbeigeführte Unfälle indizieren eine solche Freiwilligkeit nicht. Auch dann wird i.d.R. eine eigene Verletzung nicht gewollt oder billigend in Kauf genommen.

1. Versichertes Risiko

Der versicherte Lebensbereich entspricht dem Einstandsbereich der Kfz–Haftpflichtversicherung (A.1.1.1 AKB). Er geht über die Teilnahme am Straßenverkehr hinaus. Für den Fahrer gehören dazu auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Gebrauch des Kfz sowie solche unmittelbar vor dessen Beginn oder Beendigung:

  • Beseitigung von Hindernissen (aber streitig für das Öffnen oder Schließen einer Garagentür, dazu Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 29. Aufl. 2015, A.1.1 AKB Rn. 13);
  • Ein- und Aussteigen; es kann nicht generell festgelegt werden, wann der Vorgang des Ein- und Aussteigens beginnt oder beendet ist. Es ist darauf abzustellen, ob sich allgemein die besonderen Gefahrenmomente dieser Vorgänge (Zwangshaltung des Körpers, beschränkte Übersicht) noch auswirken. Beim Einsteigen beginnt das erst mit dem unmittelbaren Beginn dieses Vorgangs. Bis das Fahrzeug erreicht wird, besteht für einen Fahrzeuginsassen kein Unterschied zur Situation anderer Fußgänger. Dagegen ist das Aussteigen erst beendet, wenn ein für Fußgänger sicherer Verkehrsbereich zunächst erreicht wird, also Fahrbahn und Radweg überquert sind.
  • Einstellen des Fahrersitzes und der Spiegel vor Antritt der Fahrt (AG München r+s 2012, 437);
  • Tankvorgang;
  • Aufsammeln von aus dem Fahrzeug gefallener Papiere (OLG Hamm VersR 2009, 652);
  • Weg zur Notrufsäule nach einer Panne oder Unfall;
  • Be- und Entladen und die unmittelbaren Vor- und Nachbereitungsarbeiten.

    Das Beladen beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem das Gut den Abstellort außerhalb des Fahrzeugs verlässt und endet, wenn es im oder am Fahrzeug sicher verstaut ist. Das Entladen endet mit dem ersten sicheren Abstellen außerhalb des Fahrzeugs. Das Herbeischaffen (etwa aus einem Lager) und das endgültige Wegbringen gehören nicht mehr zum geschützten Ladevorgang.

 

Hinweis:

Wenn ein Fahrer bei einer Tätigkeit versichert ist, gilt das auch für den Mitfahrer, wenn er anstelle des Fahrers tätig wird. Für beide gilt, dass sie auch dann als Insassen versichert sein können, wenn sie sich im Rahmen des Fahrzeuggebrauchs nicht in oder auf dem Fahrzeug befinden.

2. Versicherte Personen

Versichert sind die Insassen des versicherten Fahrzeugs, also Fahrer und Mitfahrer, wenn sie sich mit Wissen und Willen des Verfügungsberechtigten in oder auf dem Fahrzeug befinden (berechtigte Insassen: A. 4.2.4 AKB). Damit besteht kein Versicherungsschutz für einen "Schwarzfahrer" oder den Dieb des versicherten Fahrzeugs.

Wenn nicht der Versicherungsnehmer als Fahrer oder Mitfahrer selbst betroffen ist, handelt es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung nach §§ 43 f. VVG. Rechtsinhaber sind die Versicherten (§ 44 Abs. 1 S. 1 VVG). Formell verfügungsbefugt ist allein der Versicherungsnehmer (§ 45 Abs. 1 VVG). Zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem besteht ein gesetzliches Treuhandverhältnis (BGH ständig, zuletzt VersR 2011, 1435). Diese begründet für den Versicherungsnehmer eine Einziehungs- und Auskehrungspflicht, nach der er im Innenverhältnis verpflichtet ist, die Ansprüche zugunsten des Versicherten gegenüber dem Versicherer geltend zu machen, wenn dem nicht berechtigte eigene Interessen, die nicht nur in eventuellen Prämiennachteilen bestehen dürfen, entgegenstehen. Das schließt nicht aus, dass er mit eigenen Schadenersatzansprüchen gegen den Versicherten, die aus dem Unfall stammen, bei dem der Versicherte verletzt wurde, gegenüber dessen Anspruch auf Weiterleitung der Versicherungsleistung aufrechnet.

Befindet sich in dem Fahrzeug nur ein Insasse, wird die Leistung in dem meist vereinbarten "Pauschalsystem" (4.2.1 AKB) nach der vollen vertraglichen Versicherungssumme berechnet. Bei zwei oder mehreren Insassen erhöht sich die Summe, nach der die Leistungen berechnet werden (meist um 50 %). Diese erhöhte Summe wird auf die Insassen unab...

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