§ 123 Abs. 1 StGB unterscheidet zwei Alternativen, nämlich zum einen das aktive Eindringen in bestimmte Schutzbereiche (Alt. 1) und zum anderen das passive Verweilen darin trotz gegenteiliger Aufforderung (Alt. 2). Als geschützte Orte nennt die Vorschrift u.a. die Wohnung sowie das befriedete Besitztum, worunter unbewegliche Sachen gezählt werden, die in äußerlich erkennbarer Weise durch den Berechtigten mittels zusammenhängender Schutzwehren wie Mauern, Hecken, Zäune etc. gegen das willkürliche Betreten durch andere gesichert sind (MüKo/Schäfer § 123 Rn 14 m.w.N.). Für diese geschützten Orte muss – das ist als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal vorausgesetzt – das Hausrecht eines anderen bestehen. Inhaber des Hausrechts ist grds. derjenige, der eine rechtmäßig begründete Sachherrschaft über den Schutzbereich ausübt, der also tatsächlich der unmittelbare Besitzer ist (MüKo/Schäfer § 123 Rn 34 m.w.N.). Bei vermieteten Wohnungen ist vor der Räumung und Herausgabe grds. der Mieter der alleinige Hausrechtsinhaber. Er – und nicht der Vermieter – kann damit andere und auch den Vermieter vom Betreten der Wohnung ausschließen. Der Vermieter darf die Wohnung ohne Erlaubnis des Vermieters grds. weder selbst betreten noch anderen wirksam den Zutritt gestatten (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm § 123 Rn 17).

 

Hinweis:

Der Vermieter kann sich also nach § 123 Abs. 1 StGB strafbar machen, wenn er die Wohnung gegen den Willen des Mieters betritt (MüKo/Schäfer § 123 Rn 36 m.w.N.). Das gilt grds. auch dann, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse am Zutritt hat (z.B. um den Zustand der Wohnung zu kontrollieren oder sie kurz vor Ablauf des Mietverhältnisses neuen Mietinteressenten zu zeigen), auch wenn der Mieter durch die Verweigerung des Zutritts gegen eine entsprechende Vertragspflicht verstößt (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm § 123 Rn 33). Der Vermieter ist in diesem Fall darauf verwiesen, einen möglichen vertraglichen Zutrittsanspruch im Zivilrechtswege durchzusetzen. Etwas anderes gilt freilich dann, wenn der Vermieter sich auf einen strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund berufen kann (z.B. weil ein nur aus der Wohnung zu entfernender Schneeüberhang eine Gefahr für vorbeilaufende Passanten begründet, LG Aachen, Urt. v. 13.11.2012 – 100 C 200/12).

Umgekehrt kann der Mieter auch grds. jedem den Zutritt erlauben, und zwar auch gegen den Willen des Vermieters (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm § 123 Rn 17). Dem Vermieter verbleibt allerdings das Recht, solchen Besuchern den Zutritt zu verbieten, deren Aufenthalt ihm schlechterdings nicht zugemutet werden kann (MüKo/Schäfer § 123 Rn 36). Bei größeren Mietshäusern hat der Vermieter zudem im Hinblick auf die Gemeinschaftseinrichtungen wie Treppenhaus, Aufzüge etc. eine Mitberechtigung (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm § 123 Rn 17). Ein Eindringen liegt in dem Betreten mit mindestens einem Teil des Körpers (z.B. Stellen des Fußes in die Wohnungstür) gegen den – auch mutmaßlichen – Willen des Hausrechtsinhabers (Lackner/Kühl/Heger § 123 Rn 5). Ein Verweilen trotz gegenteiliger Aufforderung ist demgegenüber gegeben, wenn der Täter der Aufforderung des Hausrechtsinhabers zum Verlassen des geschützten Ortes nicht nachkommt (Lackner/Kühl/Heger § 123 Rn 9). In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz vorausgesetzt. Der Hausfriedensbruch ist gem. § 123 Abs. 2 StGB ein absolutes Strafantragsdelikt und gem. § 374 Abs. 1 Nr. 1 StPO zudem ein Privatklagedelikt.

AG München, Urt. v. 16.9.2013 – 424 C 14519/13, BeckRS 2015, 7499: Grundsätzlich hat jeder Mieter als unmittelbarer Besitzer der Wohnung das Recht, Besucher zu empfangen. Dies zählt sogar zum Kernbereich des Nutzungsrechts. Die Vermieterin greift in dieses Recht unzulässig ein, wenn sie ohne sachlichen Grund Besuche verbietet. Ein sachlicher Grund fehlt, wenn der Mieter den Besuch wünscht, dies mitteilt und auch keine Störung des Hausfriedens zu erwarten ist. Vor diesem Hintergrund ist jedoch ein durch die Vermieterin erteiltes Hausverbot gegenüber einer Person wirksam, die unaufgefordert bei den Mietern klingelt und diesen anbietet, ihre Wohnungen an sog. Medizintouristen unterzuvermieten.

LG Wuppertal, Urt. v. 20.5.2015 – 17 O 108/15, BeckRS 2015, 11081: Es ist nach Ablauf eines Mietverhältnisses nur derjenige unmittelbare Besitzer noch Hausrechtsinhaber, der seinen fortdauernden unmittelbaren Besitz ersichtlich und erkennbar noch auf den abgelaufenen oder aufgehobenen Mietvertrag stützt oder stützen will, etwa weil zwischen den Vertragsparteien Meinungsverschiedenheiten über die Räumung und die daraus resultierenden gegenseitigen Ansprüche zu klären sind. Derjenige Mieter hingegen, der seinen Besitz erkennbar aufgrund eines neuen Entschlusses nicht mehr aus einem (früheren) Vertragsverhältnis ableitet, sondern aus einer angemaßten und nicht schützenswerten Rechtsposition, kann sich nicht auf ein Hausrecht berufen, sondern kommt selbst als Täter des § 123 StGB und als Anspruchsgegner...

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