Dagegen kann das volljährige Kind nur in besonderen Ausnahmefällen von den Eltern die Finanzierung einer Zweitausbildung nach abgeschlossener Erstausbildung verlangen. Dies kann dann gegeben sein, wenn die Erstausbildung dem Kind aufgedrängt worden ist und nicht den wirklichen Neigungen und Begabungen des Kindes entsprochen hat.

Ursprünglich wurde eine solche Konstellation nur dann unterhaltsrechtlich akzeptiert, wenn das Studium von vornherein angestrebt war oder während der ersten Ausbildung eine besondere, diese Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde. Dagegen reicht es heute aus, dass der Studienentschluss erst nach Beendigung der Lehre gefasst wird. Denn vielfach ist sich der Abiturient bei Aufnahme der praktischen Ausbildung noch nicht über ein anschließendes Studium schlüssig (BGH, Beschl. v. 8.3.2017 – XII ZB 192/16).

Der BGH hat keine rechtlichen Bedenken, wenn die Frage, ob der Erstausbildung des Kindes eine Fehleinschätzung seiner Begabung zugrunde lag, nach den Verhältnissen beurteilt wird, die sich erst nach Beendigung dieser Ausbildung ergeben haben. Zwar ist die Frage der beruflichen Eignung eines Kindes grundsätzlich aus der Sicht bei Beginn der Ausbildung und den zu dieser Zeit zutage getretenen persönlichen Anlagen und Neigungen zu beantworten. Um eine unangemessene Benachteiligung von sog. Spätentwicklern zu vermeiden, gilt dies aber schon dann nicht, wenn sich später herausgestellt hat, dass die zunächst getroffene Entscheidung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte (BGH, Beschl. v. 8.3.2017 – XII ZB 192/16).

Liegt eine echte Zweitausbildung (also nach einer abgeschlossenen Erstausbildung) vor, so ist eine umfassende Zumutbarkeitsabwägung vorzunehmen (OLG Karlsruhe FamRZ 2000,975). Die Belastung mit den Unterhaltszahlungen für eine Zweitausbildung kann insbesondere dann unzumutbar sein, wenn z.B. der unterhaltspflichtige Elternteil nicht mehr damit rechnen musste, dass nach Abschluss der Lehre weitere Unterhaltsverpflichtungen in Betracht kommen und seinerseits anderweitige finanzielle Dispositionen getroffen hat (OLG Frankfurt FamRZ 2001, 439).

 

Praxishinweis:

Auch hier ist anwaltlicher Sachvortrag unverzichtbar.

Wird nach dem Abitur erst eine Lehre absolviert und dann ein Studium begonnen (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle), ist entscheidend,

  • ob die Lehre eine sinnvolle Vorbereitung für das Studium war und mithin die Eltern für beide Ausbildungen Unterhalt leisten müssen oder
  • ob es an einem sachlichen Zusammenhang zwischen der ersten Berufsausbildung und dem Studium fehlt. In diesem Fall gilt das Studium als Zweitausbildung, deren Finanzierung von den Eltern nicht geschuldet wird.

So fehlt es an der Einheitlichkeit der Ausbildung, wenn das volljährige Kind nach abgeschlossener mittlerer Reife und Abschluss einer Lehre als Mechatroniker die Fachhochschulreife nachholen will (OLG Hamm FamRZ 2012, 1401). Wird erst eine Lehre durchgeführt und dann über die Fachoberschule ein Fachholschulstudium erreicht, so hat die ältere Rechtsprechung dies nur dann als einheitliche Ausbildung mit Finanzierungspflicht der Eltern angesehen, wenn schon von vornherein der Wille des Kindes auf ein Studium gerichtet war (BGH FamRZ 1995, 416, 417; weitergehend OLG Hamm FamRZ 1992, 592; OLG Frankfurt FamRZ 1995, 244). Dagegen stellt die Rechtsprechung heute auf den engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang ab und verlangt nicht mehr einen entsprechenden Gesamtplan ganz am Anfang der Entwicklung. Dies ist auch sachgerecht, da Jugendlichen andernfalls die Möglichkeit verstellt würde, ihre Potentiale im Laufe der Schul- und Ausbildungswege zu entdecken und konsequent zu entfalten.

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