Rz. 1042

Werden Vermögenswerte auf Stiftungen übertragen, schmälert dies den Wert des Nachlasses für die Erben. Dies kann dazu führen, dass die Erben Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Stiftung geltend machen können.[1601] Das gilt nicht nur dann, wenn die Stiftung im Wege der letztwilligen Verfügung Vermögenswerte oder Ansprüche erhält, sondern kann auch Zuwendungen des Stifters zu Lebzeiten betreffen.[1602] Umgekehrt können den Ansprüchen der Stiftung aus Vermächtnissen oder Auflagen Kürzungsrechte der Erben aufgrund der Geltendmachung von Pflichtteilsrechten entgegenstehen.

[1601] Für eine ausführliche Darstellung des Pflichtteilsrechts ist hier kein Raum. Es soll nur grundsätzlich die Problematik aufgezeigt werden, da sie für die Übertragung von Vermögenswerten auf Stiftungen relevant sein kann. Zum Verhältnis von Stiftungs- und Erbrecht vgl. Röthel, in Gedächtnisschrift Walz, S. 617 ff. Zur Frage der Eignung der Stiftung als Instrument der Pflichtteilsvermeidung vgl. Werner, ZEV 2007, S. 560 ff.
[1602] Richter, Stiftung & Sponsoring 3/2003, S. 26.

3.1 Pflichtteilsrecht

 

Rz. 1043

Wird ein naher Angehöriger des Erblassers ganz oder teilweise enterbt, so kann ihm ein Pflichtteilsrecht zustehen.[1603] Das Pflichtteilsrecht richtet sich nach dem gesetzlichen Erbrecht. Pflichtteilsberechtigt können gem. §§ 2303, 2309 BGB sein

  • die Abkömmlinge einschließlich der als Kind Angenommenen, die ehelichen Kindern gleichgestellt sind (§ 1754 BGB),
  • der überlebende Ehegatte oder Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (§ 10 LPartG), und
  • die Eltern des Erblassers, sofern keine Abkömmlinge erbberechtigt sind.
 

Rz. 1044

Voraussetzung ist demnach, dass dem Abkömmling, Ehegatten oder Elternteil nach der gesetzlichen Erbfolge ein Erbteil zugestanden hätte, er dies aufgrund der letztwilligen Verfügung des Erblassers jedoch nicht erhalten soll.[1604] Nähere Abkömmlinge schließen dabei die Eltern, Lebenspartner und entferntere Abkömmlinge aus. Geschwister und Großeltern sind nicht pflichtteilsberechtigt.

 

Empfehlung:

Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten können die Existenz einer Stiftung gefährden bzw. ihre wirtschaftliche Leistungskraft nachhaltig beeinträchtigen. Zudem kann eine langwierige juristische Auseinandersetzung zwischen den pflichtteilsberechtigten Erben des Stifters, Zustifters oder (Groß-) Spenders den Ruf der Stiftung empfindlich beeinträchtigen.

Soweit das zu stiftende Vermögen einen mehr als unerheblichen Teil des Vermögens des Stifters, Zustifters oder Spenders ausmacht, sollte daher unbedingt für den Erbfall Vorsorge getroffen werden. In der Regel dürfte sich der Abschluss von Erb- oder Pflichtteilsverzichtverträgen empfehlen.

Kommt dies nicht in Betracht, muss die Stiftung durch Bildung entsprechender Rückstellungen für den Erbfall Vorsorge treffen. Dabei kann es bei gemeinnützigen Stiftungen zu Konflikten mit dem steuerrechtlichen Gebot der zeitnahen Mittelverwendung kommen.

[1603] Ausführlich Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 37.
[1604] Mayer, in Bamberger/Roth, § 2303 Rn. 10.

3.2 Ansprüche aus dem Pflichtteilsrecht

3.2.1 Pflichtteilsanspruch, § 2303 BGB

 

Rz. 1045

Der Pflichtteilsberechtigte erhält keinen Erbteil, sondern einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben in Höhe des Wertes des halben gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Höhe des Anspruchs ergibt sich aus dem quotenmäßigen Anteil und dem Wert des Nachlasses.

 

Rz. 1046

Die Quote für den gesetzlichen Erbteil hängt von der Anzahl der gesetzlichen Erben ab. Dabei werden auch die enterbten, die für erbunwürdig erklärten und diejenigen gesetzlichen Erben mitgezählt, die das Erbe ausgeschlagen haben (§ 2310 Satz 1 BGB). Nicht mitgezählt werden diejenigen, die zum Zeitpunkt des Erbfalls verstorben sind oder auf das Erbe (und nicht nur den Pflichtteil) verzichtet haben (§ 2310 Satz 2 BGB). Hinterlässt der Erblasser einen Ehegatten, können sich je nach Güterstand die quotenmäßigen Anteile verändern.[1605]

 

Rz. 1047

Der Wert des Nachlasses richtet sich grundsätzlich nach dem Bestand zum Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2311 BGB). Gegebenenfalls sind bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs Anrechnungs- und Ausgleichsrechte bzw. -pflichten nach den §§ 2315, 2316 BGB zu berücksichtigen.

 

Rz. 1048

Der Pflichtteilsanspruch ist ein Anspruch in Geld gegen den oder die Erben. Die Erben haften als Gesamtschuldner (§§ 2058, 421 BGB). Für die Ausgleichungspflicht der Erben untereinander im Innenverhältnis gilt § 426 Abs. 1 BGB i. V. m. den Vorschriften über die Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB). Danach dürfte im Zweifel im Innenverhältnis ein Ausgleich nach der Höhe der quotenmäßigen Erbteile zu erfolgen haben (§§ 2047, 2038 Abs. 2, 748 BGB).[1606] Im Innenverhältnis können zudem die Ansprüche von Vermächtnisnehmern und Auflagenbegünstigten aufgrund der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch Dritte gekürzt werden (§§ 2318 bis 2323 BGB).

[1605] Siehe Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 37 V B.
[1606] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 6 Rn. 93.

3.2.2 Pflichtteilsrestanspruch, § 2305 BGB

 

Rz. 1049

Erhält ein Pflichtteilsberechtigter durch letztwillige Verfügung einen Erbteil...

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