1 Leitsatz

Ein Wohnungs- als Sondereigentümer kann gem. § 13 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums infrage steht.

2 Normenkette

§ 42 Abs. 2 VwGO

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K wendet sich gegen die Baugenehmigung für die Errichtung von Balkonen in einem Hinterhof. Die Balkonanlage soll in einem Abstand von ca. 3,5 m vor die bereits bestehende Balkonanlage des K gebaut werden.

B meint, die Klage sei unzulässig. Öffentlich-rechtliche Abwehransprüche des Nachbarn gehörten zu den Rechten, die nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausüben könne. Daher fehle der Klage eines einzelnen Wohnungseigentümers die Klagebefugnis. Ein Sondereigentümer könne gem. § 13 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht nur geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung des Sondereigentums infrage stehe. Dies sei nicht ersichtlich.

4 Die Entscheidung

Dies sieht das VG anders! K als Sondereigentümer könne gem. § 13 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums infrage stehe. Dies sei beispielsweise dann der Fall, wenn das Sondereigentum im Bereich der Abstandsflächen liege oder das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot das Sondereigentum betreffe (Hinweis u. a. auf VGH München, Beschluss v. 14.1.2022, 9 ZB 19.33, ZWE 2022 S. 143 Rn. 9).

Dies sei hier der Fall! Selbst wenn es zweifelhaft erscheine, ob das Sondereigentum des K im Bereich der Abstandsflächen liege, da die Abstandsflächen nur auf dem gemeinschaftlichen Eigentum des klägerischen Grundstücks zum Tragen kämen und das Sondereigentum des K nur in der Nähe der Abstandsflächen angrenze, so sei eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme zumindest möglich, soweit K eine Verschattung und Einsichtnahmemöglichkeit in sein Sondereigentum geltend mache, welches unter Berücksichtigung der vorliegenden Pläne und der klägerischen Einlassung in der mündlichen Verhandlung an den Hinterhof grenze.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall wendet sich ein Wohnungseigentümer gegen eine Baugenehmigung. Insoweit ist – wie im Privatrecht – zwischen der (drohenden) Störung des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums zu unterscheiden.

Gemeinschaftliches Eigentum

Droht eine Baumaßnahme, störend auf das gemeinschaftliche Eigentum einzuwirken, muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dagegen vorgehen (§ 9a Abs. 2 WEG). Dieses Vorgehen muss die Verwaltung organisieren.

Ist Eile geboten, muss die Verwaltung nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG alles selbst in die Hand nehmen! Liegt es anders, ist es in der Regel richtig, die Wohnungseigentümer einzubinden.

Sondereigentum

Wohnungseigentümer als Sondereigentümer können baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht geltend machen, sofern der Behörde bei ihrer Entscheidung über die Baugenehmigung auch der Schutz der nachbarlichen Interessen des Sondereigentums aufgetragen ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn konkrete Beeinträchtigungen des Wohnungseigentums in Form unzumutbarer Lärmbeeinträchtigungen durch die Benutzer einer geplanten Einrichtung sowie durch den An- und Abfahrtverkehr im Raum stehen.

6 Entscheidung

VG Ansbach, Urteil v. 15.6.2022, AN 3 K 21.1493

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