1.2.1 Lockerung der Vereinbarungskompetenz

Im Zuge der WEG-Reform 2007[1] waren Einzelregelungen in den §§ 12 Abs. 4 Satz 2, 16 Abs. 5 und 22 Abs. 2 Satz 2 WEG a. F. in das Gesetz aufgenommen worden. Mit diesen Regelungen sollte sichergestellt werden, dass die entsprechend geschaffenen Beschlusskompetenzen der Vorschriften

  • § 12 Abs. 4 Satz 1 WEG a. F. – Aufhebung vereinbarter Veräußerungsbeschränkung,
  • § 16 Abs. 3 WEG a. F. – einfach-mehrheitliche Abänderung des für Betriebs- und Verwaltungskosten geltenden Kostenverteilungsschlüssels,
  • § 16 Abs. 4 WEG a. F. – qualifizierte Beschlussfassung über die Änderung der Kostenverteilung von Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie Maßnahmen der baulichen Veränderung und
  • § 22 Abs. 2 WEG a. F. – qualifizierte Beschlussfassung über Modernisierungen des Gemeinschaftseigentums

nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer eingeschränkt bzw. abbedungen werden können.

Im Gegensatz zur Anordnung der Unabdingbarkeit vorerwähnter Regelungen, geht der Gesetzgeber im Rahmen des WEMoG mit § 47 WEG n. F. einen moderateren Weg. Zwar sollen die durch das WEMoG neu geschaffenen gesetzlichen Regelungen nicht durch bestehende Vereinbarungen verdrängt werden[2], allerdings will der Gesetzgeber den Wohnungseigentümern eine erweiterte Vereinbarungskompetenz einräumen, indem er gerade von einer Anordnung der Unabdingbarkeit, insbesondere von Bestimmungen über die Möglichkeit einer Kostenverteilungsänderung, absieht und so die Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer nicht einschränkt.

In diesem Zusammenhang ist auch die mit der bisherigen Rechtslage korrespondierende Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG n. F. in den Blick zu nehmen, die es den Wohnungseigentümern grundsätzlich gestattet, vom Gesetz abweichende Vereinbarungen zu treffen, soweit sich nicht etwas anderes ausdrücklich aus dem Gesetz ergibt. Zwar werden die durch das WEMoG geschaffenen inhaltlichen Änderungen vielfach auch in den Wohnungseigentümergemeinschaften gelten, in deren Gemeinschaftsordnungen Abweichendes vereinbart ist. Allerdings haben diese Wohnungseigentümer durchaus die Kompetenz, die Rechtslage innerhalb ihrer Gemeinschaft aufgrund der durch das WEMoG angeordneten neuen gesetzlichen Bestimmungen individuell zu gestalten und anzupassen. Würde hingegen entsprechend der bisherigen §§ 12 Abs. 4 Satz 2, 16 Abs. 5 und 22 Abs. 2 Satz 2 WEG a. F. die Unabdingbarkeit bestimmter gesetzlicher Regelungen angeordnet, wäre dies gerade nicht mehr möglich. Insoweit sieht das WEMoG auch keine mit den vorerwähnten Bestimmungen korrespondierenden Regelungen mehr vor.

[1] Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze v. 26.3.2007, BGBl I S. 370, seit 1.7.2007 in Kraft.

1.2.2 Weiterhin unabdingbare gesetzliche Regelungen

Zwar findet eine allgemeine Inhaltskontrolle der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung regelmäßig nicht statt. Zwingende gesetzliche Regelungen können allerdings nach wie vor auch durch Vereinbarung nicht ersetzt bzw. geändert werden. Grenzen setzen hier zunächst §§ 134, 138 und 242 BGB.[1] Auch spezialgesetzlich sind den Wohnungseigentümern Grenzen ihrer Vereinbarungskompetenz gesetzt.

Spezialgesetzliche Regelungen

So kann gemäß § 56 Satz 2 ZVG keine Haftung des Erstehers in der Zwangsversteigerung für Hausgeldrückstände des Wohnungseigentümers vereinbart werden.

Bei der Verteilung der Heiz- und Warmwasserkosten sind nach § 3 HeizkostenV stets die Vorschriften der Heizkostenverordnung zu beachten.

Die allgemein-zivilrechtlichen Regelungen des BGB über die Voraussetzungen des Verzugs nach den §§ 286 ff. BGB stehen nicht zur Disposition der Wohnungseigentümer.

Das sachenrechtliche Grundverhältnis kann nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein.

Kein Eingriff in unentziehbare und unverzichtbare Rechte/Grundprinzipien des WEG

Durch Vereinbarung kann nicht in die unentziehbaren und unverzichtbaren Rechte der Wohnungseigentümer eingegriffen werden. Auch die elementaren Grundprinzipien des WEG unterliegen nicht der Disposition der Wohnungseigentümer. In diesem Zusammenhang ist verbreitet vom "Kernbereich" des Wohnungseigentums die Rede. Die Reichweite dieses "Kernbereichs" ist nicht abschließend festgelegt, sondern wird von der Rechtsprechung im Einzelfall konkretisiert. Er ergibt sich jedenfalls nicht aus dem Gesetz. Die Wohnungseigentümer können also auch durch Vereinbarung nicht in die Gebrauchsmöglichkeit des Sondereigentums eingreifen, elementare Mitverwaltungsrechte beschneiden und die zwingenden Verwaltungskompetenzen abändern.

  • Gebrauch des Sondereigentums

    Zwar kann durch Vereinbarung ein bestimmter Gebrauch des Sondereigentums geregelt werden. Darüber hinaus aber kann dem einzelnen Wohnungseigentümer durch Vereinbarung nicht die Gebrauchs- bzw. Nutzungsmöglichkeit seiner Sondereigentumseinheit überhaupt genommen werden. Hierzu gehört auch ein ungehinderter Zugang zur Sondereigentumseinheit.[2]

  • Elementare Mitverwaltungsrechte

    Auch durch Vereinbarung können dem einzelnen Wohnungseigentümer nicht seine elementaren M...

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