Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung. Behinderung Zusammenhang. Kündigungsgründe Prüfungsmaßstab. Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten

 

Leitsatz (amtlich)

Auch in den Fällen der beabsichtigten ordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten oder personenbezogenen Gründen, die nicht im Zusammenhang mit der Behinderung stehen, haben die Hauptfürsorgestelle und ihr Widerspruchsausschuß sämtliche vom Arbeitgeber im Rahmen seines Zustimmungsantrages geltend gemachten Kündigungsgründe, soweit sie vom Schwerbehinderten bestritten werden, unter Anwendung der ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel (vgl. § 21 Abs. 1 SGB X) aufzuklären und ihrer Ermessensentscheidung zugrunde zu legen.

 

Normenkette

SchwbG § 15

 

Verfahrensgang

VG Stuttgart (Urteil vom 04.06.1992; Aktenzeichen 8 K 1913/91)

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 06.02.1995; Aktenzeichen 5 B 75.94)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 4. Juni 1992 – 8 K 1913/91 – geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 26. Juni 1990 und dessen Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 1991 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die vom Beklagten der Beigeladenen erteilte Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung.

Der am 21.3.1937 geborene Kläger war seit 1.11.1984 als „Gewerbespezialist” im Außenbereich bei der Beigeladenen, einer Versicherung, beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte unter anderem insbesondere, den freiberuflichen Außendienst bei der Anbahnung und Betreuung komplizierter Versicherungsverträge für den gewerblichen Bereich zu unterstützen.

Auf seinen Antrag vom 15.11.1979 war der Kläger durch Bescheid des Versorgungsamts Stuttgart vom 14.7.1980 und weiteren Bescheid vom 7.3.1984 mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H. als Schwerbehinderter anerkannt worden, zuletzt wegen Beschwerden nach Beckenbruch, Restbeschwerden nach operierter Analfistel, Stoffwechselstörungen, Diabetis mellitus, Fettleber und rezidivierenden Harnwegsinfekts.

Unter dem 20.4.1990 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers aus personen- und verhaltensbedingten Gründen. Zur Begründung gab die Beigeladene damals folgendes an: Dem Kläger sei ein bestimmter Bezirk zur Betreuung zugewiesen. Innerhalb dieses Bezirkes sei es seine Aufgabe, freiberufliche Mitarbeiter bei der Anbahnung und Betreuung komplizierter Versicherungsverträge zu unterstützen und neue Mitarbeiter zu gewinnen und einzuarbeiten. Daneben habe er planmäßige persönliche Werbung zur Gewinnung und Erhaltung von Versicherungskunden zu betreiben. Da er kein gelernter Versicherungskaufmann sei, habe man beabsichtigt, ihn bei dieser Aufgabenerfüllung durch berufsbegleitende Schulungen zu unterstützen. Er habe sich jedoch für diesen Arbeitsplatz als ungeeignet und lernunfähig erwiesen. Dies habe zu ständigen Beschwerden von Vertretern und Kunden geführt. Neben fachlichen Unsicherheiten habe er Kunden und Vertreter durch herrisches und schulmeisterhaftes Auftreten verärgert. Zuletzt hätten deshalb sechs von neun Vertretern eine Zusammenarbeit mit ihm abgelehnt. Außerdem habe er unzuverlässig und ungenau gearbeitet. Er habe Anträge verschleppt, was zu laufenden Beschwerden geführt habe. Von Januar 1986 bis November 1989 habe man den Kläger deshalb wiederholt ermahnt. Aufgrund der unproduktiven Arbeitsweise sei auch zum 1.1.1987 der Arbeitsvertrag insoweit abgeändert worden, als von einem Festgehalt auf eine leistungsbezogene Entlohnung in Form eines Grundgehalts zuzüglich Garantieprovision umgestellt worden sei. Das Verhalten des Klägers habe sich daraufhin aber nicht verändert. Deshalb sei er am 16.1.1989 von der Kündigungsabsicht informiert worden. Man habe ihm dabei auch die Möglichkeit eingeräumt, selbst zu kündigen. Am 18.9.1989 sei er in einem erneuten Gespräch auf einzelne Fehler hingewiesen worden, so z.B. darauf, daß er die Versicherungssumme für eine Geschäftseinrichtung auf 5.000,– DM festgesetzt habe, obwohl der tatsächliche Wert 400.000,– DM betragen habe. Auf diese Vorwürfe habe er sich uneinsichtig gezeigt. In der Zeit vom 20. bis 24.11.1989 sei er unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben. Er habe dabei auch einen von ihm selbst vereinbarten Termin nicht wahrgenommen. Als er am 27.11.1989 dazu befragt worden sei, habe er erklärt, er habe die ganze Zeit gearbeitet und Termine wahrgenommen, wobei er nähere Angaben verweigert habe. Um eine weitere Schädigung des Außendienstes zu vermeiden, sei eine Reisesperre ausgesprochen und der Kläger mangels eines freien Arbeitsplatzes im Innendienst nach Ablieferung der in seinem Besitz befindlichen Geschäftsunterlagen freigestellt worden. Aus diesem Anlaß sei im Beisein...

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