1 Leitsatz

Verweigert die Verwaltung einem Wohnungseigentümer, die Belege vor der Versammlung einzusehen, liegt allein hierin kein Anfechtungsgrund gegen einen Nachschuss-Beschluss.

2 Normenkette

§§ 18 Abs. 4, 28 Abs. 2 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1 WEG

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer beschließen gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG die Nachschüsse. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Unstreitig hatte die Verwaltung dem K vor der Versammlung einen USB-Stick mit den Belegen gegeben, die der Jahresabrechnung zugrunde lagen. Die auf dem Stick gespeicherten Belegen waren aber unvollständig. Fraglich ist, ob dies den Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG mangelhaft macht.

4 Die Entscheidung

Das AG verneint die Frage! Zwar werde die Ansicht vertreten, eine Anfechtungsklage gegen einen Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG müsse Erfolg haben, wenn einem Wohnungseigentümer vor der Versammlung eine vollständige Belegeinsicht verweigert werde (Hinweis auf BeckOGK/Hermann, 1.12.2022, WEG § 28 Rn. 237 und "ähnlich" BeckOK WEG/Bartholome, 50. Ed. 30.9.2022, WEG § 28 Rn. 126). Dem sei aber nicht zu folgen. Beschlussgegenstand nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG seien allein Zahlungspflichten. Fehler der Jahresabrechnung seien unbeachtlich, wenn sie sich nicht auf die Zahlungspflichten auswirken.

Der anfechtende Wohnungseigentümer werde durch diese Sichtweise auch nicht unangemessen benachteiligt. Er könne auch ohne eine Belegeinsicht eine Anfechtungsklage erheben und zunächst die Richtigkeit der Nachschüsse pauschal bestreiten. In diesem Fall sei es an der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die Richtigkeit der Nachschüsse darzulegen und zu beweisen (Hinweis auf MüKoBGB/Skauradszun, 8. Aufl. 2021, WEG § 28 Rn. 18). Werde dem Anfechtenden doch noch Belegeinsicht gewährt, oder lege die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Laufe des Rechtsstreits die Richtigkeit substanziiert dar, könne der anfechtende Wohnungseigentümer im Wege der Klageänderung einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend machen (Hinweis auf Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 28 Rn. 81).

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall hatte ein Wohnungseigentümer im Ergebnis keine ausreichende Möglichkeit, die Belege zu prüfen. Das AG meint, das führe zu keinem Mangel des Nachschuss-Beschlusses, wenn die Einnahmen und Ausgaben tatsächlich richtig seien. Dem ist zuzustimmen.

Anfechtung ohne Belegeinsicht

Das AG meint, ein klagender Wohnungseigentümer könne mit der Anfechtungsklage pauschal behaupten, die Höhe der Nachschüsse sei falsch, wenn er den ernsthaften, aber gescheiterten Versuch unternommen hatte, die Belege einzusehen. Auch dem ist zuzustimmen. Kann der Wohnungseigentümer das im Laufe des Prozesses nachholen, muss er aber die Klage umstellen.

Erhaltungsrücklage

Die Wohnungseigentümer hatten im Übrigen auch beschlossen, einen Betrag von 200.000 EUR aus der Erhaltungsrücklage als Liquiditätsrücklage umzuwidmen. Diese Umwidmung war nach AG-Ansicht nicht zu beanstanden. Die Wohnungseigentümer seien berechtigt, die Mittel der Erhaltungsrücklage umzuwidmen und sie als Betriebs- und Verwaltungsmittel zu verwenden, sofern nicht eine "eiserne Reserve" angegriffen werde. Dabei wird teilweise angenommen, dass die "eiserne Reserve" und die angemessene Höhe der Erhaltungsrücklage i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG identisch seien. Teilweise werde aber auch die Auffassung vertreten, dass insoweit Identität nicht anzunehmen sei und eine angemessene Rücklage eine "eiserne Reserve" übersteigen könne. Was richtig sei, müsse nicht geklärt werden. Denn die Wohnungseigentümer hätten Ermessen. Dieses sei im Fall nicht verletzt worden.

6 Entscheidung

AG Köln, Urteil v. 17.1.2023, 215 C 48/22

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