Leitsatz

Dem Antragsteller in einem familiengerichtlichen Verfahren war zunächst mit Beschluss vom 22.6.2004 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden. Mit Beschluss vom 1.2.2006 wurde der ursprüngliche PKH-Beschluss unter Hinweis darauf aufgehoben, er verfüge über einen das Schonvermögen gem. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII übersteigenden Betrag von 2.195,70 EUR, den er für die Verfahrenskosten einzusetzen habe.

Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller Beschwerde ein, die in der Sache erfolgreich war und zur Aufhebung des Beschlusses vom 1.2.2006 führte.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Entgegen der Annahme des erstinstanzlichen Gerichts könne in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers keine wesentliche Veränderung festgestellt werden, die es gem. § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO rechtfertigen könnte, den Antragsteller nunmehr darauf zu verweisen, sein angeblich das Schonvermögen übersteigendes Vermögen für die Prozesskosten zu verwenden.

Die Vermögenswerte des Antragstellers i.H.v. insgesamt 5.627,21 EUR resultierten allesamt aus sog. Rückkaufswerten vier privater Versicherungen, einer Lebensversicherung und dreier Rentenversicherungen, deren Einsatz für die Prozesskosten ihm weder unmittelbar möglich noch mittelbar via Kündigung eines Vertrages gem. § 115 Abs. 3 ZPO zumutbar sei.

Die sofortige Kündigung der langfristig abgeschlossenen Verträge sei erfahrungsgemäß mit ökonomisch unverhältnismäßigen Nachteilen verbunden, die zwecks Finanzierung der Prozesskosten in Kauf zu nehmen einer Partei grundsätzlich nicht angesonnen werden könne.

Hinzukomme, dass in Zeiten des fortschreitenden Abbaus der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergänzende Maßnahmen auch einer vollschichtig erwerbstätigen Partei zu privater, eigens steuerrechtlich geförderten Altersvorsorge nicht nur vernünftig und ratsam seien, sondern zwecks Wahrung eines halbwegs adäquaten Lebensstandards im Alter mittlerweile geradezu unerlässlich erschienen.

Es könne nicht Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe sein, verdienstvolle private Initiativen und Vorkehrungen dieser Art, die anderenorts gerade mit besonderen staatlichen Mitteln gefördert würden, im Nachhinein zu konterkarieren, indem überspannte Anforderungen an die zumutbare Verwertung solcherart erworbener Vermögenswerte gestellt würden.

 

Hinweis

Leider ist die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Zumutbarkeit des Einsatzes von Lebensversicherungen bzw. deren Rückkaufswerte zum Bestreiten von Prozesskosten nach wie vor uneinheitlich. Jeder Praktiker wird sich daher zunächst mit der insoweit vertretenen Auffassung seines OLG vertraut machen müssen. Zum Meinungsstand im Einzelnen wird auf Philippi in Zöller, ZPO, 26. Aufl., 2007, § 115 Rz. 58c m.w.N. verwiesen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Naumburg, Beschluss vom 19.05.2006, 14 WF 54/06

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