Leitsatz

Das OLG hatte sich damit auseinanderzusetzen, wie zu verfahren ist, wenn in einem Umgangsrechtsverfahren über einen Zeitraum von vier Jahren eine Entscheidung des Gerichts nicht getroffen worden ist.

 

Sachverhalt

Der Antragsteller hatte im November 2004 einen Antrag auf Gewährung von Umgang mit seiner Tochter eingereicht. Über diesen Antrag war bis zum Herbst des Jahres 2008 nicht entschieden worden. Mit Schriftsatz vom 1.10.2008 beantragte der Antragsteller, der Antragsgegnerin partiell das Sorgerecht für das gemeinsame Kind der Parteien zu entziehen und eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis "Recht auf die Beantragung von Hilfe nach dem SGB VIII" sowie "Gestaltung des Umgangs mit dem Vater" zu errichten.

Mit Schriftsatz vom 5.2.2009 legte der Antragsteller Untätigkeitsbeschwerde ein und beantragte, das AG anzuweisen, das Umgangsverfahren mit Beschleunigung fortzuführen.

Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG vorgelegt.

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Untätigkeitsbeschwerde für erfüllt. Die gesetzlich nicht geregelte Untätigkeitsbeschwerde sei von der Rechtsprechung als außerordentlicher Rechtsbehelf geschaffen worden. Sie setze nicht voraus, dass es bereits tatsächlich zu einem sachlich nicht mehr zu rechtfertigenden Verfahrensstillstand gekommen sei. Es reiche für die Zulässigkeit vielmehr aus, wenn eine über das normale Maß hinausgehende unzumutbare Verzögerung des Verfahrens schlüssig dargetan werde, die auf einen Rechtsverlust oder auf eine Rechtsverweigerung hinauslaufe (Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 567 Rz. 21).

Dies sei hier der Fall. Der Antragsteller betreibe das Umgangsverfahren seit Ende 2004, ohne dass das FamG hierüber endgültig entschieden habe.

Das Rechtsmittel erweise sich auch insoweit als sachlich begründet, als das FamG über die begehrte Regelung des Umgangsrechts und über den Antrag auf Errichtung einer Umgangspflegschaft sowie über den Antrag auf Bestellung eines Verfahrenspflegers bis heute keine inhaltliche Entscheidung getroffen habe. Die lange Verfahrensdauer in erster Instanz verletze den Anspruch des Antragstellers auf Entscheidung über das Umgangsrecht in angemessener Zeit.

Das AG habe das Verfahren über die Frage darüber, ob die Errichtung einer Umgangspflegschaft in Betracht komme, sowie die Frage der Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht genügend forciert. Es habe das Verfahren auch nicht in der Weise betrieben, die einen Abschluss des Umgangsverfahrens in erster Instanz in angemessener Zeit ermöglicht habe.

Zwar habe eine Abwägung im Einzelfall zu erfolgen, ob eine Verfahrensdauer als übermäßig lang einzustufen sei. In diesem Zusammenhang könne jedoch nicht außer Betracht bleiben, dass das Umgangsrecht eine vom Grundgesetz besonders geschützte elterliche Rechtsposition darstelle und das BVerfG wiederholt darauf hingewiesen habe, dass bei Umgangsverfahren zu beachten sei, dass jede Verfahrensverzögerung wegen der durch den Zeitverlust eintretenden und sich vertiefenden Entfremdung häufig schon rein faktisch zu einer (Vor-)Entscheidung führe, noch bevor eine richterliche Entscheidung vorliege. Im vorliegenden Fall liege eine über das Normalmaß hinausgehende, dem Antragsteller unzumutbare Verzögerung vor, die auf eine Rechtsverweigerung hinauslaufe (BVerfG NJW 2008, 503; Frankfurt, FamRZ 2007, 1030; Naumburg, FamRZ 2007, 2090; Brandenburg FamRZ 2008, 288). Das AG sei daher nach Auffassung des OLG anzuweisen, das Verfahren mit Beschleunigung durchzuführen. Eine Berechtigung für das OLG, dem erstinstanzlichen Gericht einen bestimmten Verfahrensablauf vorzuschreiben, bestehe allerdings nicht.

 

Link zur Entscheidung

OLG München, Beschluss vom 08.04.2009, 30 WF 47/09

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