Leitsatz

Ein Beschluss über die Entlastung des Verwalters widerspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn Ansprüche gegen die Verwaltung erkennbar in Betracht kommen. Ist das der Fall, so ist eine Entlastung nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten

 

Normenkette

§ 397 Abs. 2 BGB

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer entlasten durch Beschluss den Verwalter (wörtlich: Die Wohnungseigentümergemeinschaft erteilt der Verwaltung Entlastung für das Wirtschaftsjahr 2011/12).
  2. Gegen diesen Beschluss geht ein Wohnungseigentümer vor. Er meint, der Beschluss widerspräche ordnungsmäßiger Verwaltung, da gegen den Verwalter Schadensersatzansprüche wahrscheinlich seien. Der Verwalter habe ein Unternehmen zur Rohrinnensanierung mit Epoxidharz beauftragt. Hierzu habe es keinen Beschluss gegeben. Ferner sei das Verfahren in Deutschland noch gar nicht zertifiziert gewesen.
 

Entscheidung

  1. Mit Erfolg! Die Entlastung widerspreche den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Zwar gebe es keinen Grund, Wohnungseigentümern grundsätzlich ein wohlverstandenes Interesse an der Entlastung des Verwalters abzusprechen, da diese ein berechtigtes Interesse hätten, durch die Vertrauenskundgabe die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft zu schaffen. Dies gelte aber nicht, wenn erkennbar Ansprüche gegen den Verwalter in Betracht kämen. Sei das der Fall, sei eine Entlastung nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten.
  2. Im Fall kämen Ansprüche gegen den Verwalter für den von der Entlastung betroffenen Zeitraum schon deshalb in Betracht, weil die Auftragsvergabe "befremdlich" sei. Zudem kämen Schadensersatzansprüche gegen ein seitens des Verwalters beauftragtes Unternehmen in Betracht. Dies genüge. Insbesondere käme es auf ein Verschulden oder das objektive Bestehen einer Pflichtverletzung nicht an. Diese Fragen wären im Rahmen einer etwaigen Inanspruchnahme des Verwalters zu prüfen. Dem dürfe der Entlastungsbeschluss nicht entgegenstehen.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die "Entlastung" eines Verwalters ist 1. die Billigung seiner Amtsführung für einen bestimmten Zeitraum als dem Gesetz, der Gemeinschaftsordnung und seinen vertraglichen Pflichten entsprechend und zweckmäßig. Durch die Entlastung wird dem jeweiligen Amtsträger für die künftige Verwaltertätigkeit 2. Vertrauen ausgesprochen. Und mit der Entlastung ist 3. die Folge eines negativen Schuldanerkenntnisses (§ 397 Abs. 2 BGB) verbunden.

    § 397 BGB (Erlassvertrag, negatives Schuldanerkenntnis)

    (1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt.

    (2) Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger durch Vertrag mit dem Schuldner anerkennt, dass das Schuldverhältnis nicht bestehe.

  2. Das negative Schuldanerkenntnis erfasst vor allem etwaige – nicht aus einer Straftat herrührende – Ersatzansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter aus §§ 280, 812 ff., 823 ff. BGB, soweit sie den Wohnungseigentümern bekannt oder für sie bei sorgfältiger Prüfung erkennbar waren. Da die Entlastung typischerweise in der Annahme gefasst wird, dass Ansprüche gegen den Verwalter nicht bestehen, zielt sie nicht auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses; diese sind vielmehr lediglich Folge der geschilderten Vertrauenskundgabe.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Verwalter dürfen, ist nichts anderes vereinbart oder wirksam beschlossen, eine Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums grundsätzlich nicht eigenmächtig beauftragen. Anders ist es nur bei einer Gefahr im Verzug für das gemeinschaftliche Eigentum, die es nicht einmal erlaubt, binnen einer Woche eine Versammlung einzuberufen.

Beschlussmuster

Beschlussvorschlag zur Verwalterentlastung

Die Wohnungseigentümer erteilen dem Verwalter für das Wirtschaftsjahr ___ [Datum des Jahres] namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Bezug auf die gesamte Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums Entlastung. Die Entlastung ist nicht auf das Verwalterhandeln beschränkt, das in der Abrechnung seinen Niederschlag gefunden hat.

 

Link zur Entscheidung

AG Bensheim, Urteil vom 28.02.2014, 6 C 582/13 (15)

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