Leitsatz

Der Unfallversicherer hat den Vollbeweis dafür zu erbringen, dass bereits bestehende Vorerkrankungen bei einer durch ein Unfallereignis ausgelösten Gesundheitsbeschädigung und deren Folgen zu mindestens 25 % mitursächlich waren.

 

Sachverhalt

Im Urteilsfall erlitt der Ehemann der Klägerin im Jahr 2004 bei Elektroarbeiten einen Stromschlag. Dieser führte zu Herzrhythmusstörungen, die zumindest für den späteren Tod des Mannes mitursächlich waren. Der Verstorbene hatte eine Unfallversicherung in Verbindung mit einer Risikolebensversicherung abgeschlossen. Nach deren Bestimmungen verminderte sich der Anteil der Versicherungsleistung, wenn bei der Herbeiführung des Todes oder der Erwerbsunfähigkeit neben dem Unfall Krankheiten oder Gebrechen zu mindestens 25 % mitgewirkt haben. Da der Versicherer die Auffassung vertrat, der Tod des Ehemanns sei nicht durch den Unfall, sondern aufgrund einer bereits bestehenden schweren Herzkrankheit eingetreten, verweigerte er der Witwe die Todesfallleistung. Nachdem die hinterbliebene Ehefrau in erster Instanz erfolgreich war, sprach ihr das OLG nur die Hälfte ihrer Klageforderung zu.

Der BGH hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück an das OLG. Zwar sei das OLG im Ansatz richtig davon ausgegangen, das grundsätzlich der Versicherer die Beweislast für die Mitwirkung von Vorerkrankungen bei der Gesundheitsschädigung trägt. Es habe jedoch das Beweismaß verkannt. Nach der Rechtsprechung und der h.M. in der Literatur sei eben nicht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit i.S. v. § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO für den Nachweis eines Mitwirkungsanteils von mindestens 25 % ausreichend. Vielmehr müsse das strenge Beweismaß des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO angewandt werden. Erst wenn dieser Nachweis erbracht werde, obliege es der freien tatrichterlichen Würdigung, die Höhe des Mitwirkungsanteils zu schätzen. Für den Beweis genüge auch keine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit. Vielmehr müsse "ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erreicht werden", so der BGH.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 23.11.2011, IV ZR 70/11.

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