Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Mithaftung trotz Überschreitens der Autobahn-Richtgeschwindigkeit

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Urteil vom 20.08.2008; Aktenzeichen 3 O 608/08)

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des LG Erfurt vom 20.8.2008 zu Az. 3 O 922/07 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 6.256,50 EUR.

 

Gründe

Die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der hierfür nachgelassenen Frist begründet worden.

Sie hat jedoch weder Aussicht auf Erfolg, noch hat die Sache grundsätzliche Bedeutung oder erfordert aus sonstigen Gründen i.S.d. § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO eine Entscheidung des Berufungsgerichtes. Die Berufung war deshalb nach entsprechendem Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 4.4.2007 an der Autobahnauffahrt "B" der BAB 71 in Fahrtrichtung Süden ereignet hat. Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Dieser ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht aufgrund falscher rechtlicher Würdigung ihrer Beweisangebote zustande gekommen. Er legt vielmehr zutreffend den Vortrag der Parteien und den Inhalt der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Erfurt zu Az. 650 Js 17574/07 zugrunde. Allein aufgrund der in der Ermittlungsakte enthaltenen Dokumentation der Unfallörtlichkeit, der Unfallspuren und des Endstandes der beteiligten Fahrzeuge konnte das Erstgericht ohne weitere Zeugenvernehmung oder sonstige Beweisaufnahme den Tatbestand wie erfolgt feststellen und würdigen. Jede andere Würdigung spräche den Gesetzen der Physik Hohn. Dies durfte das LG in seine Erwägung einstellen, da es sich insoweit auf unstreitige und erwiesene Tatsachen beschränkt (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 6.6.2008 zu Az. 10 U 72/07 m.w.N., zitiert nach Juris). Einzig ausgelassen bzw. nur am Rande angesprochen hat das LG die aufgrund des mit der Klage vorgelegten Gutachtens erwiesene Tatsache, dass die Klägerin ihr Fahrmanöver mit einem Fahrzeug versucht hat, das allenfalls nach ausgiebigem Anlauf überhaupt in der Lage ist, die auf Autobahnen geltende Richtgeschwindigkeit von 130 km/h zu erreichen. Hierauf kommt es allerdings nach seiner Würdigung auch nicht an.

Auch bedurfte es keiner Beweisaufnahme zur vorkollisionären Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs. Soweit von den Beklagten hier 160 bis 170 km/h angegeben werden, ist dies weder substantiiert bestritten worden noch aus anderen Gründen fragwürdig. Soweit dies pauschal als überhöht und unangemessen bezeichnet wird, ist dem das LG aufgrund zutreffender Würdigung des Sachverhalts nicht nachgegangen.

Eine Beweisaufnahme hierzu musste das LG nicht durchführen, da sich die Klägerin, wie das LG überzeugend dargelegt hat, bereits unter Zugrundelegung Ihres eigenen Sachvortrages und der Ermittlungsakte ein alleiniges Eigenverschulden aufgrund ihres eigenen Fahrverhaltens anrechnen lassen muss, welche die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs selbst bei einer Fahrgeschwindigkeit von 160 bis 170 km/h an der fraglichen Stelle zurücktreten lässt.

Der auf eine Autobahn von der Einfädelspur Einfahrende haftet in der Regel voll (z.B. Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 22 Rz. 212). Dieser Satz gilt erst recht, wenn er unmittelbar nach dem Einfahren auf die Überholspur der Autobahn wechselt.

Völlig zu Recht hat das LG deshalb die Ansprüche der Klägerin verneint.

Keinen Ausgleich seines Schadens erhält, wessen Verursachensanteil und/oder Schuld so stark überwiegt, dass der Verursachungsanteil des anderen Beteiligten dem gegenüber zurücktritt. Der Fahrstreifenwechsel von der Einfädelspur auf die Überholspur einer Autobahn unter Missachtung der gesteigerten Sorgfaltspflicht des § 7 Abs. 5 StVO erfüllt dieses Kriterium (Hentschel - König - Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, § 17 StVO, Rz. 16). Ein Fahrstreifenwechsel darf nämlich nur erfolgen, wenn eine Gefährdung anderer dort fahrender Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (OLG Jena, NZV 2006, 147, 148; OLG Naumburg, Urteil vom 6.6.2008 zu Az. 10 U 72/07, zitiert nach Juris). Hier lag zudem nicht nur ein Fahrstreifenwechsel vor, sondern die besonders gefahrträchtige Situation, dass die Klägerin in einem sehr kurzen zeitlichen Abstand zwei Fahrstreifenwechsel vorgenommen hat und so von der Einfädelspur einer Autobahnauffahrt auf die Überholspur der Autobahn gewechselt ist. Dass nur ein kurzer zeitlicher Abstand zwischen den beiden Fahrspurwechsel gelegen hat, ergibt sich daraus, dass sich der Unfall schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin etwa in Höhe der Mitte der Länge der Einfädelspur ereignete. Dies bestätigt die polizeiliche Dokumentation eindrücklich. Selbst unter Zugrundelegen des klägerischen Vortrags, dass sie einen vor ihr fahr...

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