Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessen. Unbilligkeit. Bedeutung. Pflegeversicherung. Pflegestufe. Vergleichsgebühr. Erledigungsgebühr. Mitwirkung. Beschwerdefrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Einer Streitigkeit über Leistungen der Pflegeversicherung nach den Pflegestufen kommt grundsätzlich eine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO zu, unabhängig davon, ob die streitigen Leistungen das hauptsächliche Einkommen des Betroffenen darstellen.

2) Nimmt ein Rechtsanwalt ein Teilanerkenntnis der Beklagten an und die Klage im übrigen zurück, steht ihm keine Vergleichsgebühr im Sinne des § 23 BRAGO zu. Eine Erledigungsgebühr im Sinne des § 24 BRAGO steht ihm nur dann zu, wenn er ein besonderes Bemühen um eine außergerichtliche Einigung an den Tag gelegt hat.

 

Normenkette

BRAGO § 116 Abs. 1, 4, § 12 Abs. 1, §§ 23-24, 128 Abs. 1, 4

 

Verfahrensgang

SG Nordhausen (Beschluss vom 18.12.2004; Aktenzeichen S 11 SF 826/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2. wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 18. Dezember 2004 aufgehoben und die der Beschwerdeführerin zu 1. aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 505,00 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2. zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 1. wird zurückgewiesen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor der 11. Kammer des Sozialgerichts Nordhausen (Az.: S 11 P 767/03) streitig, in dem die Klägerin Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch begehrte.

Deren Betreuerin erhob gegen den Widerspruchsbescheid der Pflegekasse bei der AOK – Die Gesundheitskasse in Thüringen vom 29. April 2003 beim Sozialgericht Klage. Am 17. Juni 2003 zeigten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin deren Vertretung unter Vorlage einer Vollmacht an und beantragten Akteneinsicht. Am 15. August 2003 begründete Rechtsanwalt R.… die Klage und beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter seiner Beiordnung. Am 18. August 2003 gingen beim Sozialgericht die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und zusätzliche Unterlagen ein. Mit Schriftsätzen vom 20. Oktober und 5 Dezember 2003 sowie 2. Februar 2004 beantwortete die Beschwerdeführerin zu 1. Anfragen des Gerichts und bat unter dem 26. Februar 2004 um Bescheidung des PKH-Antrags. Mit Beschluss vom 1. März 2004 bewilligte das Sozialgericht der Klägerin PKH ohne Ratenzahlung und ordnete die Beschwerdeführerin zu 1. bei.

Mit Verfügung vom 19. März 2004 erkannte die Beklagte mit “Teilanerkenntnis” Leistungen der Pflegestufe I ab 1. Februar 2003 und der Pflegestufe II ab 28. März 2003 an. Mit Schriftsatz vom 2. April 2004 nahm die Beschwerdeführerin zu 1. das Anerkenntnis für die Klägerin an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.

Am 26. April 2004 beantragte sie eine Kostenfestsetzung und -erstattung von 811,42 € (679,50 € nach § 116 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 BRAGO, 20,00 € nach § 26 BRAGO, 111,92 € nach § 25 Abs. 2 BRAGO). Mit Anweisung vom 3. Mai 2004 verfügte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Zahlung von 566,08 €. Auf dem Anweisungsformular kreuzte er folgenden Passus an: “Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist hier nicht angezeigt, es handelt sich um ein durchschnittliches Verfahren”. Eine Kopie des Formulars wurde Rechtsanwalt A…. (Mitarbeiter der Kanzlei der Beschwerdeführerin zu 1.) mit Empfangsbekenntnis zugestellt.

Gegen die Festsetzung legte die Beschwerdeführerin zu 1. am 14. Mai 2004 “Beschwerde” ein und trug vor, der Rechtsstreit sei vergleichsweise beigelegt worden. Dies erhöhe den Gebührenrahmen. Angesichts der finanziellen Bedeutung der Angelegenheit (bereits angelaufene Rückstände aufgrund von Leistungen des Pflegedienstes) und der Auseinandersetzung mit ärztlichen Berichten sei eine über der Mittelgebühr liegende Gebühr berechtigt. Der Beschwerdeführer zu 2. hat mit Schriftsatz vom 10. Juni 2004 eingewandt, angesichts einer leicht überdurchschnittlichen Bedeutung der Sache und der weit unterdurchschnittlichen Vermögens- und Einkommensverhältnisse komme eine Gebühr von 468,00 € nach § 116 Abs. 1 und 4 BRAGO in Betracht.

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2004 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Der Rechtsstreit habe für die Klägerin des Hauptsacheverfahrens allenfalls eine leicht überdurchschnittliche Bedeutung gehabt. Mit der Leistung der gesetzlichen Pflegeversicherung bestreite diese in der Hauptsache nicht ihr Einkommen, da sie über eine Erwerbsunfähigkeitsrente von monatlich 687,96 € verfüge. Erst wenn durch die Dauerrente das Einkommen in der Hauptsache bestritten werde, sei nach der Rechtsprechung des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts (Beschluss vom 14. März 2001 – Az.: L 6 B 3/01 SF) die Höchstgebühr angemessen. Die Einkommensverhältnisse der Klägerin seien unterdurchschnittlich.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin zu 1. Beschwerde eingelegt und ...

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