Leitsatz (amtlich)

1. § 9 Abs. 5 Satz 1 ArbGG erfordert eine konkrete Rechtsmittelbelehrung. Richtet sich eine Klage gegen mehrere als Gesamtschuldner in Anspruch genommene Beklagte und gibt das Arbeitsgericht der Klage nur gegen einen Beklagten statt, ist nicht nur der unterlegene Beklagte sondern auch der Kläger darüber zu belehren, daß er Berufung einlegen kann. Eine abstrakte Rechtsmittelbelehrung, die sich in der Wiederholung des Gesetzestextes erschöpft, reicht hierfür nicht aus.

2. Die Arbeitsverhältnisse der beim Gesundheitswesen Wismut Beschäftigten sind weder gem. Art. 133 Abs. 2 EV auf den Bund noch gem. 9 Abs. 1 des Sozialversicherungsvermögensgesetzes auf die Überleitungsanstalt Sozialversicherung übergegangen. Arbeitgeber ist mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages vielmehr gem. Art. 13 Abs. 1 EV das Land geworden, in deren Gebiet die jeweilige Einrichtung des Gesundheitswesens Wismut lag, in der der Arbeitnehmer beschäftigt war.

3. Tarifliche Abfindungsregelungen sind im Bereich des öffentlichen Dienstes, soweit sie vor dem 03.10.1990 abgeschlossen wurden und die Abfindungsansprüche nicht vor diesem Zeitpunkt entstanden sind, gem. Anlage I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 zum EV nicht mehr anzuwenden.

4. Diese Regelung steht auch auf eine vor dem 03.10.1990 erteilte Gesamtzusage gestützte Abfindungsansprüchen entgegen, nicht jedoch einer einzelvertraglichen Abfindungsregelung, die erst nach dem 03.10.1990 zustandegekommen ist.

 

Normenkette

ArbGG § 9 Abs. 5 S. 1; EV Art. 13 Abs. 1-2; EV Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Gera (Urteil vom 13.12.1993; Aktenzeichen 4 Ca 144/91 A)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.02.1997; Aktenzeichen 8 AZR 15/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera – Az.: 4 Ca 144/91 vom 13. Dezember 1993 abgeändert.

Die Klage gegen die Beklagte zu 1) wird abgewiesen.

Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das genannte Urteil teilweise abgeändert.

Die Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin DM 12.388,95 nebst 4 % Zinsen seit dem 01. Januar 1991 zu zahlen.

Im übrigen wird die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten haben die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 3) zu 1/3 zu tragen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) in vollem Umfang und ihre eigenen zu 2/3 zu tragen. Der Beklagte zu 3) hat seine außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang und die der Klägerin zu 1/3 zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes an die Klägerin in Höhe der Klageforderung.

Die Klägerin war im Ambulatorium …, welches Bestandteil des Gesundheitswesens … war, als Krankenschwester beschäftigt. Am 23.06.1990 unterzeichneten der Gebietsarzt als Leiter des Gesundheitswesens …, der Direktor der Verwaltung der Sozialversicherung … einerseits und der Direktor der Industriegewerkschaft … andererseits einen Tarifvertrag über den Schutz für Mitarbeiter des Gesundheitswesens … bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen, der u. a. Abfindungszahlungen für den Fall eines betriebsbedingten Arbeitsplatzverlustes vorsah.

Eine Bestätigung und Registrierung dieses Tarifvertrages durch das zuständige zentrale Staatsorgan erfolgte nicht mehr.

Am 13.09.1990 kam es unter Leitung des Ministers für Gesundheitswesen der DDR, Herrn …, zu einer Beratung von Forderungen der Mitarbeiter des Gesundheitswesens … an der neben dem Minister 14 von der Belegschaft des Gesundheitswesens gewählte Vertreter, der Gebietsarzt, ein Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und ein Vertreter des Ministeriums für Arbeit und Soziales der DDR sowie Vertreter der Sozialversicherung teilnahmen. Ausweislich des Festlegungsprotokolls über diese Verhandlung waren Ausgangspunkt und Beratungsgegenstand Forderungen der IG … an den Gesundheitsminister vom 06. und 10.09.1990 sowie die Gültigkeit des Tarifvertrages vom 23.06.1990.

Als Ergebnis dieser Beratung unterzeichneten der Minister für Gesundheitswesen der damaligen DDR, der Gebietsarzt des Gesundheitswesens … und der Vorsitzende der IG … ein sogenanntes Festlegungsprotokoll, dessen Ziff. 2 wie folgt lautet:

Der Tarifvertrag vom 23.06.1990 gilt einschließlich seiner Bestimmungen zum Rationalisierungsschutz bis zum 31.12.1990. Es besteht Einigkeit darüber, daß es sich nicht um ein Abfindungsabkommen handelt und Entschädigungszahlungen als Folge von Kündigungen die Ausnahme bilden sollen.

Mit Schreiben vom 09.10.1990 kündigte der geschäftsführende Verwaltungsdirektor des medizinischen Versorgungsbereichs … das Arbeitsverhältnis der Klägerin aus betriebsbedingten Gründen zum 31.12.1990.

Zugleich erhielt die Klägerin eine ebenfalls vom Verwaltungsdirektor unterzeichnete Bescheinigung, wonach ihr auf der Grundlage des Tarifvertrages über den Schutz für Mitarbeiter des Gesundheitswesens...

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