Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Krankenhausträger in der Rechtsform einer gGmbH, der sich im Gesellschaftsvertrag verpflichtet hat, das kirchliche Proprium (Selbstverständnis) der Evangelisch-Lutherischen Kirche mitzutragen und der Mitglied im Diakonischen Werk dieser Kirche ist, ist eine karitative Einrichtung der Kirche i. S. des § 118 Abs. 2 BetrVG, in der das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung findet.

 

Normenkette

BetrVG § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Entscheidung vom 04.04.2000; Aktenzeichen 8 BV 9/2000)

 

Tenor

1) Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt vom 04.04.2000, Az.: 8 BV 9/2000, wird zurückgewiesen.

2) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I)

Die Beteiligten streiten über die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes auf den Betrieb der Antragstellerin und Beteiligten zu 1).

Die Antragstellerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 18.12.1997 in der Rechtsform einer gGmbH gegründet. Ihre beiden Gesellschafter sind die H-Kliniken W. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter die Stadt Weimar ist, sowie die Stiftung S. W., einer Einrichtung des Diakonischen Werkes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen e. V. (vgl. Bl. 41 d. A.).

Beide Gesellschafter hatten in Weimar an getrennten Standorten Krankenhäuser betrieben, die Stiftung durch die S. W. Kliniken und Diakonie gGmbH als Krankenhausträgerin. Die Gesellschafter hatten bereits mit Gesellschaftsvertrag vom 14.02.1995 die K.-N. W. GmbH gegründet (Bl. 103 – 111 d. A.). Dieses Unternehmen wird nunmehr mit dem gleichen Unternehmensgegenstand (Neubau und Betrieb von Krankenhauseinrichtungen) unter dem Namen und in der Rechtsform der Antragstellerin betrieben.

Der Gesellschaftsvertrag der Antragstellerin liegt lediglich in Form des Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 18.12.1997 vor. Der durch Beschluss der Gesellschafter verabschiedete Vertragsinhalt ist in den Ziff. II 1 – 4 des Protokolls niedergelegt (Bl. 25, 26 d. A.). Ziff. II 2 macht insbesondere die dem Protokoll als Anlage beigefügte Satzung der S.- und H. Klinikum gGmbH vom 11.12.1997 (Bl. 28 – 40 d. A.) zum Gegenstand der Vertragsvereinbarungen.

Die Satzung lautet auszugsweise wie folgt:

§ 3

Gemeinnützigkeit

(1) Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung.

§ 4

Kirchliches Proprium

(1) Der Gesellschafter Stiftung S. W. weiß sich dem Auftrag verpflichtet, das Evangelium von Jesus Christus in Wort und Tat zu bezeugen. Der Dienst des Gesellschafters ist daher Wesens- und Lebensäußerung der Kirche. Die Stiftung ist ihrem Wesen und ihrer Tendenz nach der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen zugehörig. In Wahrnehmung des kirchlich-diakonischen Auftrages betreibt sie Krankenpflege und Sozialfürsorge. Dieser Dienst wird ohne Rücksicht auf Glaubensbekenntnis, Weltanschauung oder Herkunft der zu Betreuenden geleistet.

(2) Der Gesellschafter H.-Kliniken W. GmbH trägt dieses kirchliche Proprium bei der Betreibung des Krankenhauses mit. Für die zu übernehmenden Beschäftigten der H.-Kliniken W. GmbH entsteht daraus kein Nachteil.

(3) Die Gesellschaft strebt die Mitgliedschaft im Diakonischen Werk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen e. V. an und bewirbt sich um die Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband.

§ 5

(1) Anstellungsgrundlagen der Beschäftigten der Gesellschaft sind die Bestimmungen des BAT-Ost in seiner jeweils gültigen Fassung. Es gelten die Vergütungstabellen des BAT-Ost in seiner jeweils aktuellen kommunalen Fassung.

§ 19

Übergangsbestimmungen

(1) Die Bestimmungen der §§ 4 und 5 treten zu dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem der gemeinsame Krankenhausbetrieb aufgenommen wird.

(2) Die Gesellschafter streben an, den gemeinsamen Krankenhausbetrieb ein Geschäftsjahr vor Inbetriebnahme des Krankenhausneubaus aufzunehmen.

Das Stammkapital der Antragstellerin beträgt 250.000,00 DM, das jeder Gesellschafter zur Hälfte, also in Höhe von 125.000,00 DM hält (§ 6 der Satzung). Für die Organe der Gesellschaft sowie deren Organisation und Rechte wird im einzelnen auf die §§ 8 – 15 der Satzung verwiesen. Danach ist der Aufsichtsrat zuständig für die Bestellung, Abberufung und Entlastung der Geschäftsführer. Der Aufsichtsrat besteht aus 12 Mitgliedern, von denen jeweils vier von den Gesellschaftern vorgeschlagen werden; die übrigen vier Mitglieder werden auf Vorschlag der Mitarbeitervertretung von der Gesellschafterversammlung bestellt. Den Vorsitz des Aufsichtsrats übt ein vom jeweiligen Gesellschafter im Wechsel vorgeschlagenes Mitglied des Aufsichtsrats im Fünf-Jahres-Turnus aus. Die Gesellschafterversammlung beschließt mit einfacher Mehrheit, wobei je 1.000,00 DM eines Geschäftsanteils eine Stimme gewähren. Beschlüsse, die eine Satzungsänderung, die Liquidation der Gesellschaft oder die Bestellung eines von der Mitarbeitervertretung vo...

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