Entscheidungsstichwort (Thema)

Pfändung zukünftiger Forderungen. Insolvenzrechtliche Rückschlagsperre. Pfändungs- und Einziehungsverfügung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Pfändungsverfügung ist aufzuheben, wenn sie sich nachträglich als gesetzwidrig erweist.

2. Hat ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt, so wird diese Sicherung gemäß § 88 InsO mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam (sogenannte Rückschlagsperre). Innerhalb des § 88 InsO kommt es auf die tatsächliche Vollendung des Pfändungsaktes an; wirksam bleiben nur Maßnahmen, die vor der Monatsfrist beendet sind.

3. Die Pfändung einer zukünftigen Forderung erlangt erst mit ihrem Entstehen Wirksamkeit. Das Pfändungspfandrecht setzt eine konkret bestehende Forderung voraus und gelangt erst zeitgleich mit deren Entstehung zur Existenz.

 

Normenkette

InsO § 88; AO 1977 § 309 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.04.2005; Aktenzeichen VII R 7/03)

 

Tenor

1. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten Nr. Pf 833/98/2 wird ab dem 14. Dezember 1999 aufgehoben. Der Einspruchsbescheid des Beklagten vom 31. Mai 2000 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert beträgt 5.325,57 Euro (entsprechend 10.415,91 DM). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten im Hinblick auf die sogenannte „Rückschlagsperre” gem. § 88 der Insolvenzordnung (InsO).

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der XX GmbH, A-Stadt (im Folgenden: Gemeinschuldnerin). Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin beantragte am 14. Januar 1999 (Bl. 13 der Finanzgerichtsakte – FG-Akte) beim Amtsgericht B-Stadt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das am 1. Febr. 1999 eröffnet wurde (Az.: …).

Am 9. November 1998 bestanden Steuerrückstände in Höhe von 52.411,53 DM. Mit Pfändungs-und Einziehungsverfügung vom 9. November 1998 (Pf 833/98/2 – Bl. 51 Vollstreckungsakte) pfändete der Beklagte daher alle der Gemeinschuldnerin gegenwärtig und zukünftig zustehenden Forderungen gegen die Raiffeisenbank A-Stadt, bei der die Gemeinschuldnerin ein Konto unterhielt und ließ sich gem. § 314 der Abgabenordnung (AO) alle Beträge zur Einziehung überweisen. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wurde der Drittschuldnerin am 11. Nov. 1998 zugestellt. Am 15. Dez. 1998 und 7. Jan. 1999 schrieb die Bank dem Konto der Gemeinschuldnerin mehrere Beträge gut, so dass deren Konto am 7. Jan. 1999 einen Positivsaldo in Höhe von 10.415,91 DM aufwies. Dieser Betrag wurde noch nicht ausgezahlt. Der Kläger wies mehrfach darauf hin, dass die Pfändung ab Mitte Dez. 1998 unwirksam sei und beantragte die Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung sowie die Freigabe des Guthabens zur Masse. Mit Schreiben ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 29. April 1999 lehnte der Beklagte den Antrag auf Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung ab. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23. August 1999 bei der Beklagten Einspruch ein. Mit Entscheidung vom 31. Mai 2000 wurde der Einspruch als zulässig aber unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger.

Er trägt vor, das an den Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen die Bank durch den Beklagten erlangte Pfändungspfandrecht sei gem. § 88 InsO unwirksam. Dieses sei nicht schon mit Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung an die Drittschuldnerin, sondern erst mit Gutschrift der Beträge auf dem Konto der Gemeinschuldnerin und damit innerhalb der Einmonatsfrist des § 88 InsO entstanden. Vorsorglich erklärt der Kläger die Anfechtung gem. §§ 129, 131 Abs. 1 Nr.1 und 2 und § 143 InsO.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2000 die Pfändungs-und Einziehungsverfügung Nr. 833/98/2 ab einschließlich dem 14. Dezember 1999 aufzuheben

sowie die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er ist der Ansicht, das Pfändungspfandrecht an den Forderungen sei gem. § 309 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) bereits mit Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung an die Drittschuldnerin am 11. November 1998 entstanden. Damit seien auch künftige Forderungen verstrickt. Dieser Fall werde daher nicht von der Monatsfrist des § 88 InsO erfasst. Das Pfändungspfandrecht an den Forderungen sei folglich wirksam geblieben und gewähre ihm abgesonderte Bef...

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