Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Rechtswirkung einer Verteidigerbestellung im Ermittlungs-/Strafverfahren endet grundsätzlich mit der Rechtskraft des Urteils.
2. Im Vollstreckungsverfahren ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nur in wenigen Ausnahmefällen gesetzlich ausdrücklich vorgesehen. Im Übrigen kommt die Beiordnung eines Pflichtverteidigers in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO in Betracht.
3. Bei der Prüfung, ob die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, die Pflichtverteidigerbeiordnung gebieten, ist auf die Schwere des Vollstreckungsfalles oder eine besondere Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren abzustellen.
4. Die Pflichtverteidigerbeiordnung im Vollstreckungsverfahren gilt in der egel nur für den jeweiligen Vollstreckungsabschnitt, nicht für das ganze Vollstreckungsverfahren.
 

Rdn 1090

 

Literaturhinweise:

Heghmanns, Verteidigung in Strafvollstreckung und Strafvollzug, 7. Aufl. 2012

Rotthaus, Die Pflichtverteidigung im Verfahren zur Strafrestaussetzung, NStZ 2000, 350

Steck-Bromme, Verteidigung im Maßregelvollzug des § 63 StGB, abrufbar unter http://www.strafverteidigervereinigungen.org/Material/Themen/Haft%20&%20Sicherungsverwahrung/33_steckbromme.html

s.a. die Hinweise bei → Maßregeln, Erwachsene, Allgemeines, Teil B Rdn 959 m.w.N. und bei Burhoff, EV, Rn 2813.

 

Rdn 1091

1. Die Rechtswirkung einer Verteidigerbestellung im Ermittlungs/Strafverfahren endet grds. mit der Rechtskraft des Urteils; sie gilt nur für Nachtragsentscheidungen nach § 460 StPO – die nachträgliche Gesamtstrafenbildung – und für das Wiederaufnahmeverfahren fort (Meyer-Goßner/Schmitt, § 140 Rn 33; Burhoff, EV, Rn 3005). Im Vollstreckungsverfahren sieht § 463 Abs. 3 S. 5 und Abs. 8 StPO für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in bestimmten Fällen die Beiordnung eines Pflichtverteidigers vor. Darüber hinaus ist einer in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Person ein Verteidiger zu bestellen, wenn das Gericht nach jeweils fünf Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Sachverständigengutachten einholt (§ 463 Abs. 4 S. 5 i.V.m. § 463 Abs. 4 S. 1 StPO; vgl. Burhoff, EV, Rn 215 ff.).

 

Rdn 1092

I.Ü. kommt die Bestellung eines Pflichtverteidigers in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO in Betracht. Verfassungsrechtlich ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Vollstreckungsverfahren jedenfalls dann geboten, wenn es nach der konkreten Fallgestaltung wegen Besonderheiten und Schwierigkeiten im Diagnose- und Prognosebereich evident erscheint, dass der Untergebrachte sich angesichts seiner Erkrankung nicht selbst verteidigen kann; es ist von Verfassungs wegen aber – auch im Hinblick auf die komplexe Regelung des § 463 StPO – nicht zu beanstanden, wenn nicht jedem Untergebrachten für die Überprüfungsentscheidung, soweit dies nicht von § 463 Abs. 4 S. 5 StPO angeordnet ist, ein Verteidiger bestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 6.7.2009 – 2 BvR 703/09). Vielmehr ist es geboten, aber auch ausreichend, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob die Bestellung erforderlich ist.

 

Rdn 1093

2. Ein Pflichtverteidiger ist hiernach dann zu bestellen, wenn die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, dies gebieten. Bei der Prüfung dessen ist auf die Schwere des Vollstreckungsfalles oder eine besondere Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren abzustellen (BVerfG NJW 2002, 2773; OLG Hamm NStZ-RR 2008, 219; OLG Nürnberg NStZ-RR 2009, 125), wobei zu berücksichtigen ist, dass im Vollstreckungsverfahren in weitaus geringerem Maße als in dem kontradiktorisch ausgestalteten Erkenntnisverfahren ein Bedürfnis nach Mitwirkung eines Verteidigers auf Seiten des Verurteilten besteht (OLG Hamm NStZ-RR 2008, 219). Es gelten folgende

 

Rdn 1094

 

Grundsätze:

Die Rechtslage ist schwierig, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt oder wenn die Subsumtion voraussichtlich aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten wird, etwa bei schwierigen Abgrenzungsfragen (OLG Hamm NStZ-RR 2008, 219; vgl. a. Burhoff, EV, Rn 2819 ff.).
Je nach Lage des einzelnen Falles kann auch die Einholung eines Gutachtens durch die Strafvollstreckungskammer zur Frage einer fortbestehenden Gefährlichkeit des Verurteilten die Bestellung eines Pflichtverteidigers gebieten, vor allem dann, wenn das Gutachten zahlreiche psychiatrisch-neurologische Fachbegriffe enthält, die das Verständnis des Verurteilten und seine Fähigkeit übersteigen, sich damit angemessen auseinanderzusetzen.
Eine bereits eingetretene Verzögerung der Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung und die Ankündigung des sachbearbeitenden Staatsanwalts, er werde ebenfalls an dem Termin teilnehmen, können eine Pflichtverteidigerbeiordnung gebieten (OLG Hamm NStZ-RR 2008, 219).

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