Das Wichtigste in Kürze:

1. § 67e Abs. 2 StGB schreibt die jährliche Überprüfung der Unterbringungsanordnung durch die Große StVK fest.
2. Jede vermeidbare Fristüberschreitung führt zu Verletzung des Freiheitsrechts, spätestens bei einer Verzögerung von mehr als einem Monat.
3. Nach Lage des Einzelfalls kann auch ein Vollstreckungshindernis vorliegen.
4. Die Notwendigkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers ergibt sich aus § 463 Abs. 8 StPO.
5. Es gilt das Gebot umfassender Sachaufklärung. Der Untergebrachte und der Sachverständige sind vor einer Entscheidung durch die StVK persönlich anzuhören.
6. Die StVK muss immer auch prüfen, ob eine ausreichende Betreuung i.S.d. § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB angeboten wird.
7. Zur Frage der Gefährlichkeitsprognose ist ein Sachverständigengutachten einzuholen.
 

Rdn 542

 

Literaturhinweise:

s. die Hinweise bei → Sicherungsverwahrung, Allgemeines, Teil A Rdn 538 m.w.N.

 

Rdn 543

1. § 67e Abs. 2 StGB schreibt die jährliche Überprüfung der Unterbringungsanordnung fest. Dabei kann die Frist auch kürzer festgesetzt werden (§ 67e Abs. 3 S. 1 StGB); bei mehr als seit zehn Jahre Untergebrachten verkürzt sich die Überprüfungsfrist auf neun Monate (§ 67e Abs. 2 S. 2 StGB). StA und StVK sind verpflichtet durch organisatorische Maßnahmen die Einhaltung der Fristen sicherzustellen (OLG Köln StV 2014, 155). Zuständig ist die Große Strafvollstreckungskammer (vgl. → Maßregelvollzug, Fortdauerentscheidung, Teil C Rdn 44).

 

Rdn 544

2. Eine Überschreitung der turnusmäßigen Überprüfungsfirst gemäß § 67e StGB betrifft das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 2 GG, wobei nicht jede Überschreitung zugleich als Grundrechtsverletzung angesehen wird. Allerdings verletzt jede vermeidbare Fristüberschreitung das Freiheitsrecht (BVerfG NJW 2012, 516). Die Gründe einer Fristüberschreitung sind in jeder Fortdauerentscheidung anzugeben (BVerfG NStZ-RR 2015, 69). Auf Grundlage der EMRK ist jedenfalls eine Verzögerung von mehr als einem Monat als rechtswidrig anzusehen (OLG Dresden, Beschl. v. 23.1.2015 – 2 Ws 35/15).

 

Rdn 545

3. Ein Vollstreckungshindernis soll sich allein aus der rechtswidrigen Fristüberschreitung in der Regel nicht ergeben (BerlVerfGH NStZ-RR 2014, 292), komme aber unter Berücksichtigung des Sicherungsbedürfnisses der Allgemeinheit anhand der Umstände des Einzelfalls in Betracht.

 

Rdn 546

Teilweise wird ein Vollstreckungshindernis nach einer Übergangsfrist von z.B. zwei Monaten gesehen (NK-Pollähne, § 67e Rn 15; vgl. a. → Maßregelvollzug, Fortdauerentscheidung, Teil C Rdn 61 ff.). Gerade im Bereich der Sicherungsverwahrung ist mit der Schaffung des neuen § 66c StGB (Anspruch auf Behandlungsmaßnahmen) nun eine Argumentation möglich geworden, die in Orientierung an § 67d Abs. 2 S. 2 StGB jedenfalls nach sechs Monaten zu einer Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung führt (Bartsch StV 2014, 156).

 

Rdn 547

Für das Überprüfungsverfahren ist gem. § 463 Abs. 8 StPO rechtzeitig (vgl. Rdn 578) ein Pflichtverteidiger beizuordnen (vgl. Rdn 576 ff.).

 

Rdn 548

4. Es gilt das Gebot umfassender Aufklärung des Sachverhalts und der Kenntnis der für die Abwägung im Einzelfall notwendigen Umstände. Deshalb ist zur Prüfung der Fortdauer der Unterbringung eine möglichst frühe Stellungnahme der Anstalt gem. § 67e StGB erforderlich (OLG Nürnberg NStZ RR2014, 122). Der Untergebrachte muss durch die StVK vor einer Entscheidung persönlich angehört werden. Dabei ist er vom Verteidiger zu begleiten. Die Anhörung muss vor dem gesamten StVK erfolgen; die Anhörung durch den beauftragten Richter genügt nicht (vgl. → Maßregelvollzug, Fortdauerentscheidung, Teil C Rdn 49 f.). Der Sachverständige ist ebenfalls durch die StVK persönlich gem. §§ 463 Abs. 1, S. 1; 454 Abs. 2, S. 3 StPO anzuhören, wenn darauf nicht ausdrücklich durch alle Verfahrensbeteiligten verzichtet wurde (KG StraFo 2014, 36).

 

Rdn 549

5. Der Prüfungsgegenstand der StVK gem. § 67d Abs. 2 StGB ist nicht auf die Frage der Gefährlichkeit (Legalprognose) beschränkt. Stets ist auch zu prüfen, ob dem Untergebrachten eine ausreichende Betreuung i.S.d. 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB angeboten und ob es einer Fristsetzung gem. § 67d Abs. 2 S. 2 StGB unter der Angabe des konkret anzubietenden Maßnahmen zur künftigen Einhaltung des Betreuungsgebotes bedarf. Der gegenwärtige Stand des Behandlungsvollzuges muss aus dem Vollzugs- und Eingliederungsplan ersichtlich sein (OLG Hamburg StraFo 2014, 84).

 

Rdn 550

6. Regelmäßig ist zur Frage der zu prognostizierten Gefährlichkeit ein SV-Gutachten durch einen von der Anstalt externen Sachverständigen zu erstellen (vgl. Rdn 553 ff.). Dieser nimmt auch zur Angemessenheit der Betreuung und angebotenen bzw. durchgeführten Therapiemaßnahmen Stellung. Der Sachverständige ist durch die StVK anzuhören, wenn darauf nicht verzichtet wird (vgl. Rdn 548).

Siehe auch: → Sicherungsverwahrung, Allgemeines, Teil A Rdn 537 m.w.N.; → Maßregeln, Erwachsene, Überprüfung, Teil B Rdn 1118.

[Autor] Glauch

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