Das Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU trifft auch Regelungen im Bereich des Arbeitsrechts. Eine einschneidende Zäsur im Hinblick auf die langjährige EU-Gesetzgebung wird damit zwar vermieden, jedoch dürften sich Großbritannien und EU-Mitgliedsstaaten in Zukunft auseinanderentwickeln.

2.1 Regelungen mit Bezug auf das Arbeitsrecht im Austrittsabkommen

Im Abkommen wird festgelegt, dass das bis zum 31.12.2020 geltende Niveau der Arbeitnehmerrechte grundsätzlich nicht in einer Weise reduziert werden soll, dass es Handel oder Investitionen beeinträchtigt. Damit bleiben viele Gesetze, die im UK entgegen der Common-law-Tradition in Umsetzung vieler EU-Richtlinien erlassen wurden, zunächst bestehen. Das Abkommen lässt dennoch die Möglichkeit zu, dass im VK in Zukunft von EU-Standards abgewichen wird, falls Handel und Investitionen nicht betroffen sind. Damit dürften einzelne Anpassungen wohl zulässig sein, während einer wesentlichen Absenkung von Schutzrechten für Arbeitnehmer wohl Grenzen gesetzt wären. Im letzteren Fall könnte die EU entsprechend dem Abkommen angemessene Ausgleichsmaßnahmen ergreifen oder auch Strafzölle verhängen. Angesichts dieses Risikos werden zumindest in naher Zukunft keine gravierenden Änderungen zu erwarten sein. Dennoch: Einige gesetzliche Vorgaben, die in Umsetzung von Europäischen Richtlinien wie etwa zum Betriebsübergang ("TUPE – Transfer of Undertakings Protection of Employees[13]") oder zum Datenschutz erfolgt sind und als unliebsam empfunden werden, könnten perspektivisch nach einem Austritt geändert werden.

[13] Vgl. ausführlich dazu Tröger/Roß-Kirsch, Arbeitsrecht in Großbritannien, Kapitel 11.

2.2 Anwendbares Recht

Hinsichtlich des anwendbaren Rechts gilt auch im Arbeitsrecht der Grundsatz der Vertragsfreiheit, der jedoch Einschränkungen durch Regelungen des internationalen Privatrechts erfahren kann. Nach Art. 8 Rom-I-VO, die innerhalb der EU und auch im Verhältnis zu Drittstaaten universelle Geltung beansprucht, ist grundsätzlich das Recht des "gewöhnlichen Arbeitsortes" maßgebend, zwingende Bestimmungen dürfen dem Arbeitnehmer nicht durch Rechtswahl genommen werden. Ausnahmen bestehen jedoch bei vorübergehenden Tätigkeiten in einem anderen Staat (beispielsweise bei einer Dienstreise oder während einer zeitlich befristeten Entsendung) sowie in Fällen, in denen engere Beziehungen zu einem anderen Staat als dem Staat des gewöhnlichen Arbeitsortes bestehen. Folglich sind Rechtswahlklauseln in Arbeitsverträgen nur sehr eingeschränkt zulässig, da sie nicht dazu führen dürfen, dass der Schutz zwingender Bestimmungen des ohne Rechtswahl anwendbaren Rechts entzogen wird.

Nach dem Brexit wird immer dann, wenn in Deutschland ein Gerichtsstand begründet ist, von deutschen Gerichten unverändert die ROM-I-VO anzuwenden sein, sodass sich die Frage des anwendbaren Rechts weiterhin nach den zuvor geschilderten Grundsätzen richtet. Nach dem Brexit ist die ROM-I-VO in UK selbst jedoch nicht mehr anwendbar, sondern die Rechtslage ist dann nach dem jeweils aktuellen britischen Recht zu beurteilen.

2.3 Arbeitsrechtliche Aspekte bei Einsatz von EU-Bürgern in Großbritannien

In arbeitsrechtlicher Hinsicht ergeben sich für den Einsatz von EU-Bürgern in Großbritannien zumindest in naher Zukunft nur wenige Änderungen zur Rechtslage vor Austritt: Gravierender dürften hier insbesondere die Änderungen im Aufenthaltsrecht sein.

2.3.1 Vertragsgestaltung

Bei der Vertragsgestaltung kommt es darauf an, ob zur Regelung des Mitarbeitereinsatzes im VK ein befristeter Entsendevertrag oder ein befristeter lokaler Vertrag mit Ruhensvereinbarung oder auch Stammhausbindungsvertrag abgeschlossen wurde. In beiden Fällen sind jedoch wirksame und transparente Klauseln erforderlich, die ggf. einen Rückruf bzw. eine vorzeitige Beendigung erlauben, sofern beispielsweise aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder die veränderten Umstände eine Reduktion des unternehmerischen Engagements in Großbritannien oder Nordirland zur Folge haben. Die Kriterien der Rechtsprechung an die Wirksamkeit von Rückrufklauseln sind hoch und es wird regelmäßig auch eine angemessene Ankündigungsfrist von ein bis drei Monaten gefordert.[14] Bei einem befristeten lokalen Vertrag kombiniert mit einer Ruhensvereinbarung oder einem Stammhausbindungsvertrag sollten entsprechende Kündigungsrechte der jeweiligen Vereinbarungen vorgesehen werden, die ein vorzeitiges Aufleben des deutschen Anstellungsvertrages zulassen. Ohne wirksame Rückrufklausel oder vorzeitige Kündigungsmöglichkeit sollte eine möglichst einvernehmliche Regelung mit dem Mitarbeiter angestrebt werden.

Darüber hinaus werden auch in Zukunft im Fall von Entsendeverträgen die Mindestarbeitsbedingungen im VK einzuhalten sein (z. B. hinsichtlich Mindestlohns, Höchstarbeitszeiten, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Schutz von Schwangeren und Wöchnerinnen etc.). Der Mindestlohn (Statutory Minimum Wage) liegt in Großbritannien aktuell für Arbeitnehmer über 25 Jahren bei 8,72 GBP pro Stunde[15] und die zulässige Höchstarbeitszeit bei bis zu 48 Stunden pro Woche. Auf die Einhaltung von Vorschriften zu Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz (Healt...

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